Angriff aus Fremdenhass

Ein Mann schießt in der italienischen Stadt Macerata aus dem Auto gezielt auf Ausländer. Der mutmaßliche Täter wollte offenbar Rache für einen Mordfall üben, bei dem ein Nigerianer als tatverdächtig gilt

Die Tatwaffe von Macerata Foto: Giuseppe Bellini/afp

Aus Rom Michael Braun

Es war ein ganz gewöhnlicher Samstagmorgen in Macerata, einer 40.000-Einwohner-Stadt in der Adriaregion Marken. Im Zentrum wie in den Außenbezirken tummelten sich die Menschen auf Einkaufstour. Doch gegen 11 Uhr ist es mit der Ruhe vorbei. Vor einem Supermarkt fallen Schüsse, abgefeuert aus einem Alfa Romeo heraus, das Ziel: ein Afrikaner.

Damit begann eine Stunde des Terrors und der Angst für die Bürger von Macerata. An sieben weiteren Punkten der Stadt sollte sich die Szene wiederholen. Am Ende waren sechs Verletzte zu beklagen, fünf Männer und eine Frau aus Mali, Nigeria, Gambia und Ghana; niemand von ihnen schwebt in Lebensgefahr. Obendrein feuerte der Täter auch auf einen Parteisitz der gemäßigt linken Partito Democratico (PD), die in Rom mit dem Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni die Regierung anführt.

Am Ende dann stellte sich der Täter praktisch selbst. Er stieg aus dem Auto, baute sich vor dem Denkmal für die Kriegsgefallenen auf, hüllte sich in eine italienische Fahne, streckte den rechten Arm zum römischen Gruß der Faschisten, brüllte „Italien den Italienern!“ und „Viva l’Italia!“ Bei dem Täter soll es sich um den 28-Jährigen Luca T. handeln. Auslöser für seine Tat, so gab der Mann im Verhör zu Protokoll, sei ein Mordfall gewesen, der sich einige Tage zuvor in Macerata zugetragen hatte. Die Leiche einer 18-Jährigen, die in einer Drogentherapieeinrichtung lebte, war in zwei Trolleys zerstückelt aufgefunden worden. Als schwer tatverdächtig gilt ein nigerianischer Dealer, in dessen Wohnung die Polizei die blutverschmierte Kleidung des Mädchens gefunden hatte.

Zusätzliche Brisanz erhält dieser rassistische Amoklauf, weil er sich vier Wochen vor dem am 4. März stattfindenden italienischen Parlamentswahl zutrug – und weil der mutmaßliche Täter seinerseits für die rechtspopulistisch-fremdenfeindliche Lega Nord aktiv war. Im Juni 2017 trat er als Kandidat für den Gemeinderat in dem nahe bei Macerata gelegenen Dorf Corridonia an, wurde allerdings nicht gewählt.

Ebenjene Lega zeichnet sich schon seit Jahren durch ausländerfeindliche Positionen aus. Eine Zuspitzung hatte diese Ausrichtung jedoch unter dem seit 2013 als Parteichef amtierenden Matteo Salvini erfahren. Salvini schraubte deutlich die regionalistisch-sezessionistische Rhetorik der Lega Nord zurück und ersetzte sie durch eine „Italien zuerst!“-Positionierung. Sie lehnt sich eng an den Kurs Marine Le Pens und ihres Front National in Frankreich an. Im gegenwärtigen Wahlkampf strich Salvini gleich auch den Zusatz „Nord“ im Parteinamen und tritt jetzt mit seiner bloß noch „Lega“ getauften Liste gegen Immigranten, die EU und den Euro an, in einer Wahlallianz mit Silvio Berlusconis Forza Italia.

Salvini zeigte sich nach dem sechsfachen versuchten Mord an afrikanischen Migranten kein Stück verlegen. „Alle – und ich vorneweg – verurteilen diese Episode der Gewalttätigkeit“, erklärte er in einem Interview mit der Tageszeitung Corriere della Sera. Dann aber schob er sofort nach, „diese und andere Episoden“ müsse man „in Verbindung mit den von der Immigration angerichteten Schäden bringen“. Es sei „eine Tatsache, dass die außer Kontrolle geratene Immigration Wut und gesellschaftliche Zusammenstöße mit sich bringt“.

Aus der Verlegenheit, mit Salvini in einer Allianz verbunden zu sein, versucht sich dagegen Berlusconi herauszureden. Er, der in diesem Wahlkampf sein Image auf „gemäßigtes Bollwerk gegen die Populisten“ neu justiert hat, mag in dem Täter nur einen „Gestörten“ sehen. Hinter dessen Aktion sei „keine luzide politische Zuordnung“ zu erblicken.

Der mutmaßliche Täter war für die rechts­-­populistisch-­fremdenfeindliche Lega Nord aktiv

Ein „sehr hohes Risiko“, dass sich während der Wahlkampfwochen solche Gewalttaten wiederholen, sieht dagegen der zur PD gehörende Innenminister Marco Minniti. Es werde durch diejenigen begünstigt, die „das Klima des Hasses weiter anheizen“, so Minniti.

Deutlicher wurde Roberto Saviano, Autor des Buchs „Gomorrha“. Er bezeichnete den Lega-Chef Salvini als „moralischen Auftraggeber“ des Täters von Macerata.

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