wie machen sie das?
: Der Krisenhelfer

Wolfgang Barth, 57, ist Leiter des Drogennotdienstes des Vereins Jugendberatung und Jugendhilfe in Frankfurt am Main. Im dortigen Bahnhofsmilieu bietet der Verein Überlebens- und Krisenhilfe für schwer drogenabhängige Menschen.

taz am wochenende: Herr Barth, Sie werden täglich mit Situationen konfrontiert, die man nur schwer aushalten kann. Wie machen Sie das?

Wolfgang Barth: Man braucht natürlich einen Ausgleich im Privatleben. Ich bin früher Marathon gelaufen, gesundheitlich geht das leider nicht mehr, heute singe ich im Chor und habe nach langer Pause wieder angefangen Klavier zu spielen. Beide Aktivitäten haben dazu geführt, dass ich mich sehr wohlfühle und Spaß habe. So kann ich mir immer wieder sagen: Probleme sind da, um sie zu lösen.

Wie verarbeiten Sie, was Sie am Tag erlebt haben?

Ich muss mir nur im Zug nach Hause den neusten „Tom“-Comic in der taz anschauen, und schon habe ich wieder ein Lächeln im Gesicht. Ich lese die Zeitung auf der Heimfahrt, um mich mit anderen Themen auseinanderzusetzen. Mit den Jahren schafft man es, sich ganz bewusst abzugrenzen.

Wie helfen Sie den Menschen, die zu Ihnen kommen?

Wir haben ein sehr differenziertes und umfangreiches Hilfesystem. Das Grundprinzip lautet Überlebenshilfe. Das bedeutet in erster Linie, Hilfsangebote bereitzustellen und zu vermitteln. Das kann ein Bett für die Nacht sein, eine Duschmöglichkeit oder die Aufnahme in ein Methadon-Substitutionsprogramm.

Im öffentlichen Raum wird man vielfach Zeuge harten Drogenkonsums. Soll man eingreifen?

Ja, prinzipiell schon. Aber in der Regel rechnet der Betroffene mit einem Vorwurf oder einer abfälligen Bemerkung. Wenn man diese Erwartungshaltung durch etwas Überraschendes und Positives durchbricht, öffnet er sich. So ein Gespräch signalisiert, dass man an dem Menschen Interesse hat und ihn akzeptiert. Diese Akzeptanz durch eine Person außerhalb der Szene kann bestärkend sein.

Wie könnte man so ein Gespräch beginnen?

Das kann ein einfaches „Wo kommst du her?“ sein, ein „Lebst du hier?“. Im Zuge des Gespräches kann man fragen, ob es in der Nähe Hilfseinrichtungen gibt oder zum Beispiel Konsum- oder Rauchräume. Eine glaubwürdige, offene, transparente und verständliche Ansprache ist wichtig. Die muss nicht übertrieben sein, man muss auch nicht denken, im Szenejargon reden zu müssen. Treten Sie so natürlich und normal wie möglich auf. Der Betroffene spürt, ob man es ehrlich meint oder nicht.

Bestehen Freundschaften zu Ihren Klienten?

Man benötigt für eine professionelle Betreuung die notwendige Distanz. Freundschaft würde zu weit gehen.

Interview Patrick Enssle