Im Afrin-Krieg ist Ankara dabei, neue Fronten zu eröffnen

Während die Türkei und die USA verbale Schlachten um die Kurdenmiliz YPG in der Stadt Manbidsch führen, richtet das türkische Militär Beobachtungsposten in der syrischen Provinz Idlib ein

Erdoğan drängt darauf, auch in Syrien Schutzzonen für Flüchtlinge einzurichten

Von Wolf Wittenfeld, Athen

Noch ist der Krieg um Afrin in vollem Gang, da wird in der Türkei bereits über die Eröffnung einer neuen Front diskutiert. „Unser nächstes Ziel ist Manbidsch“ sagte Präsident Recep Tayyip Erdoğan bereits kurz nach Beginn des Einmarsches in Afrin am 20. Januar. Regierungssprecher Bekir Bozdağ präzisierte das jetzt. „Wenn die US-Armee ihre Soldaten aus Manbidsch nicht zurückzieht, werden sie für uns genauso zum Ziel wie die kurdischen Milizen der YPG“, sagte Bozdağ.

Laut General Joseph Votel, US-Oberkommandierender des „Central Command“, zuständig für den Nahen Osten, denken die USA aber nicht daran, Soldaten aus Manbidsch zurückzuziehen. „Das ist nichts, worüber wir reden“, sagte Votel kürzlich. Manbidsch ist ein Brückenkopf der syrischen Kurden am westlichen Euphratufer, der der Türkei ein Dorn im Auge ist. Erdoğan will, dass die Kurden westlich des Euphrat kein Gebiet kontrollieren, deshalb auch der Angriff auf Afrin, das dort liegt und von den Kurdengebieten weiter östlich Syriens isoliert ist.

In einem Interview mit der größten türkischen Tageszeitung Hürriyet versuchte der Sprecher des Pentagon, Eric Pahon, am Dienstag, die Gefahr einer Konfrontation zwischen türkischen und amerikanischen Soldaten zu relativieren. „Die US-Streitkräfte“, sagte er, „kämpfen gemeinsam mit der kurdischen YPG nur gegen den IS, YPG-Milizen im Kampf gegen türkische Truppen werden von uns nicht unterstützt.“ Er warnte jedoch die türkische Regierung, ihren Angriff auf die YPG über Afrin hinaus aus Manbidsch auszudehnen. US-Verteidigungsminister James Mattis hatte vor zwei Tagen gegenüber Journalisten durchblicken lassen, dass es Gespräche mit der Türkei gebe, um eine Konfrontation zu vermeiden. Einzelheiten nannte er nicht.

Die türkische Armee soll aber nicht nur ihre Position östlich von Afrin ausbauen, sie ist auch dabei, ihre Stellungen in Idlib zu befestigen. Idlib ist die letzte von Rebellen kontrollierte Provinz in Syrien und wird seit Wochen massiv von Assad-Truppen mit russischer Luftunterstützung angegriffen. Nachdem am Wochenende erstmals ein russisches Kampfflugzeug von der dschihadistischen Gruppe Hajat Tahrir Al-Sham (HTS) abgeschossen wurde, verstärkt Russland die Luftangriffe. Gleichzeitig gab es Berichte, nach denen Assad-Truppen aus Hubschraubern Chlorgasfässer abwarfen.

Zwischen vorrückenden Assad-Truppen und dem Rebellengebiet hat die türkische Armee nun einen neuen Beobachtungsposten eingerichtet, der gleich unter Beschuss kam. Ein Soldat wurde getötet. Nach einer Vereinbarung mit Russland und Iran soll die türkische Armee in Idlib zwölf Beobachtungsposten einrichten dürfen. Der jetzt bei al-Eis südwestlich von Aleppo eingerichtete Posten ist der vierte, acht weitere sollen folgen.

Warum die türkische Armee daran festhält, in Idlib Beobachtungsposten einzurichten, obwohl aus der „Deeskalationszone“ mittlerweile Kriegsgebiet geworden ist, wird in der Türkei nicht öffentlich diskutiert. Die Türkei versteht sich allerdings als „Schutzmacht“ der moderaten Rebellen in Idlib und will vor allem verhindern, dass die durch den Angriff der Assad-Truppen nach Norden drängenden Flüchtlinge über die türkische Grenze kommen. Hilfsorganisationen und die UNO sprechen von 275.000 Flüchtlingen, die in Idlib Schutz vor den syrischen Truppen und den russischen Luftangriffen suchen. Erdoğan drängt darauf, auf syrischem Gebiet Schutzzonen für diese Flüchtlinge einzurichten.