Streit um Sonnenschein

EU-Parlament stimmt heute über Arbeitsschutz gegen optische Strahlung ab

BRÜSSEL taz ■ Die EU-Abgeordneten debattierten gestern streckenweise mit einem Gesprächspartner, der sich gar nicht im Raum befand: mit der Boulevardpresse. Die hatte im Vorfeld über die „Sonnenschein-Richtlinie“ gelästert. Für die Medienvertreter ist dieses Gesetz nur ein weiteres Beispiel dafür, dass in Brüssel der Krümmungswinkel der Banane wichtiger sei als die Bedürfnisse der Bürger.

Offiziell heißt das umstrittene Gesetz „Richtlinie zum Schutz der Arbeitnehmer vor optischer Strahlung“. Schon die Römischen Verträge schreiben fest, dass neben den Mitgliedstaaten auch die EU für den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zuständig sein soll. Eine entsprechende Rahmenrichtlinie existiert seit 13 Jahren. Seither sind für den Schutz vor Vibrationen, Lärm und elektromagnetischen Strahlungen bereits EU-Vorschriften erlassen worden. Das Gesetz über optische Strahlung soll das Paket nun abrunden.

Allerdings ist es umstritten. Einige Konservative würden von der EU-Kommission lieber einen völlig neuen Vorschlag verlangen, der Mitgliedstaaten und Arbeitgebern viel mehr Spielraum ließe. Die Grünen und einige Sozialisten hingegen wollen nicht nur künstliche, sondern auch natürliche UV-Strahlung in der Richtlinie berücksichtigt sehen. Schließlich, so der britische Labourabgeordnete Stephen Hughes, habe sich die Hautkrebsrate in Großbritannien seit den 80er-Jahren verdoppelt und liege nun höher als in Australien. Wer an der Vorschrift zweifle, dem empfahl Hughes einen Blick in die jeweilige Landesstatistik. „Auch in Deutschland hat sich bei den Arbeitern in der Landwirtschaft die Rate sehr stark erhöht.“

Dies war auf die deutschen CDU/CSU-Abgeordneten im Europaparlament gemünzt. Den drei anderen Richtlinien zum Arbeitsschutz haben sie übrigens zugestimmt – daran erinnerte die deutsche Sozialdemokratin Karin Jöns. Bei natürlicher Strahlung werde vom Arbeitgeber vor allem verlangt, dass er seine Mitarbeiter über die Risiken ausführlich informiert. „Das Verteilen von Merkblättern ist ja wohl nicht zu viel verlangt.“

Die liberale Fraktion und einige Konservative sehen aber genau darin eine unerträgliche Bevormundung des einzelnen Bürgers, der sich selber um seine Gesundheit kümmern solle. „Nanny type regulation“ – Babysitter-Richtlinie nannte die irische Konservative Avril Doyle das Konzept von Rat und Kommission. Wer sich am Sonntag in der Sonne gebraten habe, solle das nicht am Montag seinem Chef in die Schuhe schieben können.

Bei der Abstimmung heute könnte es knapp werden. Am ehesten scheint eine Mehrheit für den Kompromiss des Berichterstatters Csaba Öry denkbar. Der ungarische Konservative hatte vorgeschlagen, den Schutz vor natürlicher Strahlung lieber dem nationalen Gesetzgeber zu überlassen. Sollte sich diese Idee durchsetzen, so käme dies wohl weniger aus politischer Überzeugung denn aus Furcht vor weiteren hämischen Pressekommentaren zustande.DANIELA WEINGÄRTNER

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