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Im Zweifel bleibt doch alles geheim

Bremen rühmt sich für seine Transparenz – zu unrecht: Viele Verträge werden nicht veröffentlicht

Von Lukas Thöle

Es bleibt dabei: Bremen will transparent sein, ist es aber nicht. 2017 haben die dortigen Behörden 39 von 219 Verträgen online veröffentlicht. Aktuell sind es 69 von 450 – die an vielen Stellen geschwärzt sind. „Die Umsetzung des Transparenzgesetzes“, sagt Thomas von Zabern vom Bündnis für Informationsfreiheit und Transparenz, „ist eine absolute Katastrophe.“

Seit 2015 müssen Bremer Behörden bestimmte Dokumente eigenständig und sofort veröffentlichen. Dazu gehören Verträge, bei denen es um über 50.000 Euro geht. Mit dem neuen Gesetz belegte Bremen 2017 den dritten Platz im Transparenzranking der Open Knowledge Foundation und dem Verein Mehr Demokratie. Größter Kritikpunkt war die schlechte Umsetzung: „Die gesetzliche Grundlage ist gut, wird aber nicht befolgt“, sagte Studienautor Arne Semsrott damals. Das gilt noch immer: Der Senat rühmt sich zwar, seit 2015 viele neue Dokumente veröffentlicht zu haben. Und tatsächlich sind im Onlineportal rund 62.000 Dokumente abrufbar – aber zwei Drittel davon sind Pressemitteilungen und Infobroschüren.

Der Senat nennt viele Gründe: Früher wurden Verträge ausgedruckt, von Hand geschwärzt und dann wieder digitalisiert. Das soll nun schneller gehen: Ganze drei Amtsstellen können bereits jetzt Dokumente am Computer schwärzen. Bis Jahresende soll die restliche Verwaltung nachziehen. Zusätzlich habe Bremen mit dem Transparenzgesetz juristisches „Neuland“ betreten. Um Fehleinschätzungen zu verhindern, müsse das Personal erst geschult werden. Auch ein Leitfaden soll helfen. Doch: „Rechtskonforme Entscheidungen brauchen gerade bei Verträgen oft Zeit“, sagt das zuständige Finanzressort. Denn nur im Einzelfall könne öffentliches gegen privates Interesse abgewogen werden. Wann die BremerInnen mit einer nahtlosen Veröffentlichung der Verträge rechnen können, sagt der Senat nicht.

„Ich kann bei der Verwaltung keinen klaren Willen zur Transparenz erkennen“, sagt von Zabern. Dem Personal werde zwar erklärt, wie es am Computer schwärzen kann. Es gebe aber keine offiziellen Vorgaben, welche Infos zu schwärzen sind. Die Behörden würden daher fast alles zu Geheimnissen erklären – sie wissen es halt nicht besser. „Zur vernünftigen Prüfung fehlt der Verwaltung aktuell das Personal und die Kompetenz“, so von Zabern. Auch seien viele der laut Senat veröffentlichten Verträge nicht im Onlineportal zu finden. Auf Nachfrage kämen von den zuständigen Ressorts nur ausweichende Antworten. „Gründe werden gesucht und gefunden“, sagt von Zabern.

Ein „großes Verbesserungspotenzial“ sieht auch die Landesbeauftragte für Informationsfreiheit, Imke Sommer: Sie kritisiert, dass noch immer viele Verträge nicht veröffentlicht wurden. Und wenn, dann seien viele Stellen rechtlich unzulässig geschwärzt. Künftig sollen Vertragspartner daher schon vor Abschluss darüber informiert werden, dass die Dokumente veröffentlicht werden müssen. Das soll später rechtliche Prüfungen vereinfachen, bisher hatte die Verwaltung den Hinweis in vielen Fällen versäumt.

Das Gesetz kennt keine Strafen für Behörden. Im Dezember verklagte Clemens Prill aus Bremerhaven das Sozialressort, weil es der Transparenzpflicht nicht nachkommt. Der Student hat keine Lust mehr, Informationen zu beantragen, die schon längst öffentlich sein müssten. „Ich hoffe, das Verwaltungsgericht spricht ein Machtwort“, sagt er. Das Sozialressort beantwortete keine Fragen der taz dazu.