Schnell festlegen oder dramatisch scheitern

Die Deutsche Energieagentur drängt die Regierung zu einem ernsthafteren Klimaschutzplan

Von Bernhard Pötter

Die staatliche Deutsche Energieagentur (dena) fordert von der Bundesregierung die schnelle Festlegung auf ein anspruchsvolles Klimaziel für 2050. Bisher will Deutschland bis dahin seine klimaschädlichen Emissionen gegenüber 1990 um „80 bis 95 Prozent“ verringern. „Wir empfehlen der Bundesregierung, sich an 95 Prozent zu orientieren“, sagte Andreas Kuhl­mann, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung in Berlin, anlässlich der für Montag geplanten Vorstellung der „Leitstudie Integrierte Energiewende“. Wenn die Regierung nicht in dieser Legislaturperiode wichtige Entscheidungen treffe, könnten Klimaschutz und Energiewende in Deutschland „dramatisch scheitern“, so Kuhlmann.

Rasch entscheiden soll sich die Große Koalition nicht nur für dieses 95-Prozent-Ziel für die Klimagase. Die Regierung müsse in den nächsten 4 Jahren auch klären, ob das Energiesystem völlig auf Ökostrom umgestellt werde oder auf einen Mix aus Strom, Wasserstoff und synthetischen Brennstoffen. Auch müssten die Weichen gestellt werden für oder gegen die Forschung und Anwendung von synthetischen Brennstoffen, für oder gegen Lkw auf Strombasis und zu der Frage, wie sicher die Stromversorgung schließlich sein müsse. Zudem solle die Regierung einen Ausstiegspfad aus der Kohle beschließen.

Die Leitstudie ist unter Beteiligung von 60 Unternehmen und Verbänden, von dena-Fachleuten mit der Beratungsfirma ewi Energy Research entstanden. Sie warnt davor, nur Klimaziele bis 2030 zu diskutieren. Der Grund: Eine Festlegung auf 2050 habe schon gravierende Auswirkungen auf 2030. Gehe alles weiter wie bisher, lande Deutschland 2050 nur bei 62 Prozent weniger Klimagas Kohlendioxid (CO2), sagte Harald Hecking, ewi-Geschäftsführer und wissenschaftlicher Hauptgutachter. „Für Minus 95 Prozent müssen jedes Jahr 26 Millionen Tonnen CO2 gespart werden – derzeit sind es nur 8 Millionen Tonnen pro Jahr.“

Die Studie widerspricht anderen Gutachten, die den Wegfall von Kohle, Öl und Gas fast ausschließlich über grünen Strom ersetzen wollen. Eine Vollumstellung des gesamten Systems auf erneuerbaren Strom sei zwar machbar, aber anfälliger und teurer als ein „technologieoffener Instrumentenmix“, bei dem etwa regenerativ erzeugter Wasserstoff und Methan genutzt werden, findet die dena-Studie. Das 95-Prozent-Ziel mit dem „Technologie-Mix“, wie die dena es vorschlägt, erfordere insgesamt 1,6 Billionen Euro mehr Investitionen als der derzeitige Pfad des halbherzigen Klimaschutzes, haben die Gutachter errechnet.

Eine Langversion dieses Textes finden Sie auf taz.de.