wortwechsel
: Wie werden wir gute Verbündete?

Gar nicht so einfach: Gute Unterstützung gegen Rassismus. Viel zu einfach: taz-Test auf Betreuungsniveau. Schwer gefährlich: doppeltes Spiel bei Unterstützung von Gewaltopfern

22. März 1956, Montgomery, Alabama, USA: Martin Luther King jr., Coretta King und Cvil rights Kämpferinnen nach dem Prozess gegen Rosa Parks – damals angeklagt, weil sie sich weigerte, in einem Bus aufzustehen von einem Platz „nur für Weiße“ Foto: Gene Herrick/ap

„Erste-Hilfe-Kurs gegen Rassismus“, „Bin ich eine gute Verbündete“, taz vom 3. 8. 18

Niveaulose Hilfe

„Erste-Hilfe-Kurs gegen Rassismus“ klingt spannend und vielversprechend, aber die Konzeption erinnert an Gesellschaftsspiele, denen es nicht selten an Tiefgang und Differenzierung mangelt. Eine „(mehrfach-) diskriminierte Person“ beklagt ihr Schicksal gegenüber einer potenziellen „Komplizin“; dies in einer recht offensiven, fast aggressiven Form, was der Gesprächspartnerin einiges an Langmut bis hin zur Selbstverleugnung abverlangen dürfte. Die „(mehrfach-) diskriminierte Person“ durchschaut ihr Gegenüber bis ins Kleinste und öffnet ihr die Augen bezüglich ihrer privilegierten Stellung in der Gesellschaft. Die Belohnung, das letztlich zuerkannte Etikett „Gute Ally!!!“ wird noch eingeschränkt und durch die Drohung mit dem „White savior complex“ entwertet. Das erinnert schwer an eine „Catch 22“-Situation: Was immer man tut, es erweist sich letztlich als Fehler. Wer denkt sich so etwas aus? Wo ist der Realitätsbezug? Helmut Maurer, Heidelberg

Moralisierend

„Mache dich nicht gemein mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.“ Hans-Joachim Friedrichs

Der Gipfel des moralisierenden Journalismus ist nun mit Ihrem Erste-Hilfe-Kursus gegen Rassismus erreicht, bei dem man sich wünscht, dass bald der Arzt kommt. Die Opfer- und Täterrolle, die hier eingeübt werden soll, konstruiert eine Gesellschaft von Betreuern und Betreuten, wobei die Betreuer in die politisch korrekte Richtung erzogen werden sollen: Mit dem Bekenntnis „Ich halte dieses Unbehagen aus“ werden noch diejenigen, die Unbehagen als Ausdruck von Vernunft und als Zutrauen in die eigene Subjektivität empfinden, heilsam kolonialisiert. Die „Betroffenen“, auch die selbsternannten, haben immer Recht! Ich möchte die taz eben nicht als gute Verbündete für die Ziele Dritter haben, als sei dieses Land eine Selbsthilfegruppe von „Opfern“ und „Betroffenen“. Christian König, Mainz

Sprachfaul

Die Punkte der Grafik dürften bekannt sein: Zuhören, ernst nehmen, sich selbst hinterfragen. So weit, so gut. Ich habe mich dennoch über den Artikel geärgert, und zwar wegen folgender Frage: Kann ich eine gute Verbündete sein, auch wenn ich meine und andere Sprachen mag? Was soll das Wort Kompliz*in, das gemeinhin für Mittäterschaft bei einer Straftat oder Ähnlichem steht, in diesem Zusammenhang? Ich will auch kein Ally sein, das klingt wie Tussi – dabei gibt es doch mit „Verbündete“ ein prima Wort, das ja auch in der Überschrift verwendet wird. Wieso ist das englische Wort, das im Gefüge der deutschen Grammatik „schlechte Ally“ die Geschlechtsspezifik auch nicht vermeidet, in deutscher Großschreibung, irgendwie besser als das deutsche Wort? Und warum wird unterstellt, dass das Wort „schlecht“ ohne einen traurigen Smiley nicht verstanden wird? Oder „gut“ ohne drei Ausrufezeichen nicht gut genug ist?

Es gibt genügend Begriffe, die noch auf eine gute Übersetzung warten, people oder person of color zum Beispiel, aber kann man nicht schlicht deutsch sagen: weißer Retterkomplex? Sprache ist etwas Schönes; lasst die Emoticons bei WhatsApp – und bemüht euch, Worte zu finden. Dass man in Frankreich das deutsche Wort „Waldsterben“ verwendete, statt ein eigenes, wurde schließlich auch immer als Distanzierung vom Phänomen verstanden.

Silke Karcher, Berlin

Falsch gekümmert

betr.: Warum ist die AfD so erfolgreich?

Warum die AfD Zulauf erhält?

Es ist fürchterlich, dies mit ansehen zu müssen, aber manches versaubocken wir selbst:

1. a) Menschen, um die sich Deutschland kümmert: ein schwerstkrimineller Afghane wird abgeschoben und er erhängt sich in Afghanistan.

Es gibt Lichterketten und Mahnwachen vor dem Kanzleramt.

1 b) Menschen, um die sich Deutschland nicht kümmert: allein in NRW töteten sich letztes Jahr 41 Polizisten, weil sie in ihrem Job überfordert waren und auch in ihrer Tätigkeit keinen Sinn mehr erkennen konnten.

Das bleibt eine Randnotiz.

2 a) Menschen, um die sich Deutschland kümmert: der Leibwächter von Osama Bin Laden, Sami Idoudi, wird nach Tunesien abgeschoben. Er bezog in Deutschland seit 2008 etwa 150.000 Euro an staatlicher Unterstützung. Außerdem kostete seine ständige Überwachung als islamistischer Gefährder einen Millionenbetrag. Nun setzen sich deutsche Spitzenpolitiker für seine Rückkehr ein.

2 b) Menschen, um die sich Deutschland nicht kümmert: den Opfern und Angehörigen des islamistischen Terroranschlags vom Breitscheidplatz in Berlin – also jenes Terrors, den auch Sami Idoudi verbreitet hat – wird bis heute jede Unterstützung und Anerkennung verwehrt. Selbst eine Gedenkminute wurde ihnen monatelang verweigert. Nun erhalten Angehörige eine Opferrente von 140 Euro im Monat – aber nur, falls sie ihre Traumatisierung auch nachweisen können.

Und dann liest man: „Die AfD ist auf dem Weg zur zweitstärksten politischen Kraft in Deutschland“. Und alle fragen sich, wie konnte das nur passieren?

Mehmûd Öcalan, Berlin