Stiften gehen

Die USA gelten als Staat, in dem Spenden, Stiftungen und Charity-Dinners blühen. Der Historiker Thomas Adam relativiert diese Sicht

Reiche zeigen sich gern beim Spenden: Charity-Veranstaltung der Countess of Wessex Foto: Mark Cuthbert UK Press/Getty Images

Von Nada Kumrovec

Geschätztes Vermögen: 9,6 Milliarden Euro.

Woher kommt das Geld? Er ist Mitgründer des Software­unternehmens SAP.

Wohin geht das Geld? In seine Hasso-Plattner-Stiftung.

Wie viel Weltfrieden hat es gebracht? 200 Millionen Euro für das Potsdamer Softwaretechnik-Institut und das Museum Barberini.

Die USA ohne ihre Stiftungen, Spender und Charityveranstaltungen? Kaum vorstellbar, denken wir hier in Europa. Aber diese Wahrnehmung stimmt so nicht, sagt Thomas Adam, Historiker an der Texas Universität in Arlington.

Geschätztes Vermögen: 21,3 Milliarden Euro.

Woher kommt das Geld? Aus ihrem Erbe, darunter BMW-Anteile.

Wohin geht das Geld? An CDU, SPD und das Analyseunternehmen Phineo.

Wie viel Weltfrieden hat es gebracht? Sie fördert mit der „Skala-Initiative“ 100 gemeinnützige Organisationen mit 100 Millionen Euro.

Der in Leipzig promovierte Professor forscht zur Geschichte von Philanthropie und Zivilgesellschaft in den USA und Europa. „Das Stiften ist in den USA immer hoch umstritten gewesen. Es gab etliche parlamentarische Untersuchungsausschüsse und Gesetzesverschärfungen, weil man immer schon Angst hatte, dass der Volkswirtschaft zu viel Geld entzogen und staatlich unkontrollierbare Macht ausgeübt wird.“

Geschätztes Vermögen: 16,2 Milliarden Euro.

Woher kommt das Geld? Er gründete in den sechziger Jahren den indischen IT-Großkonzern Wipro.

Wohin geht das Geld? In seine Azim Premji Stiftung für die Ausbildung indischer Lehrer sowie den Schulbau.

Wie viel Weltfrieden hat es gebracht? Bisher 3,8 Milliarden Euro für wohltätige Zwecke.

Bis 1945 sei Deutschland das wesentlich stiftungsfreundlichere Land gewesen: „Preußen hat sein öffentliches Schulwesen zu 40 Prozent aus Stiftungsgeldern finanziert.“ In den USA indessen wurden nach dem Skandal um die Ford-Foundation die Stiftungsgesetze radikal verschärft.

Weil Henry Ford seine Familie als Stiftungsvorstand eingesetzt und das gesamte Unternehmen in eine Stiftung verwandelt hatte, wurde kein Cent Erbschaftssteuer gezahlt. Seitdem müssen Stiftungen in den USA jährlich ihre Einkünfte offenlegen, Jahresberichte zugänglich machen und ihr Grundkapital veröffentlichen. Mit der Angabe des Grundkapitals hat die Stiftung nämlich auch ein natürliches Ende: Wenn das Geld alle ist, hört die Stiftung auf zu existieren.

Geschätztes Vermögen: 17,7 Milliarden Euro.

Woher kommt das Geld? Aus Unternehmensgründungen wie PayPal.

Wohin geht das Geld? An visionäre Projekte wie die Vernetzung des menschlichen Gehirns mit Maschinen.

Wie viel Weltfrieden hat es gebracht? Ein Tesla-Museum und eventuell kostengünstigere Raum-fahrten.

Thomas Adam erinnert an den Philanthropen Julius Rosenwald, einer der großen US-amerikanischen Gründerzeitunternehmer, der Millionen Dollar für den Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus spendete. Rosenwald war der Meinung, Stiftungen sollten nach spätestens 40 Jahren geschlossen werden. In dieser Zeitspanne hätte sich eine Gesellschaft derart stark verändert, dass die Ideale und Werte der Stiftung nicht mehr zeitgemäß seien.

Geschätztes Vermögen: 1,1 Milliarden Euro.

Woher kommt das Geld? Aus der Frankfurter Privatbank, die seit 1674 im Familienbesitz ist.

Wohin geht das Geld? An die Metzler-Stiftung, die vor allem Jugendliche fördert.

Wie viel Weltfrieden hat es gebracht? Millionenbeträge für Kultur- und Sozialprojekte.

Geschätztes Vermögen: 6,3 Milliarden Euro.

Woher kommt das Geld? Aus Investitionen und Fonds.

Wohin geht das Geld? An Bürgerrechtsorganisationen, eine Anti-­Brexit-Kampagne und seine Stiftung Open Society Foundations.

Wie viel Weltfrieden hat es gebracht? 15,3 Milliarden Euro für seine Stiftung.

Seit dem Ford-Skandal dürfen Stiftungen in den USA keine Unternehmen mehr sein. Anders in Deutschland: Ob Siemens, Bosch oder Carl Zeiss, die größten Stiftungen werden von Unternehmen getragen. In den USA unterdessen dürften – auch beispielsweise im Fall eines Bill ­Gates – die Stiftungen nur aus Privatkapital finanziert werden.

Geschätztes Vermögen: 9,6 Milliarden Euro.

Woher kommt das Geld? Er ist Mitgründer des Softwareunternehmens SAP.

Wohin geht das Geld? An seine Dietmar Hopp Stiftung für den Jugendsport.

Wie viel Weltfrieden hat es gebracht? 640 Millionen Euro hat seine Stiftung bisher ausgeschüttet.

Im letzten Dezember wurde in den USA allerdings erneut das Steuergesetz geändert. Der Steuerfreibetrag wurde praktisch verdoppelt. Für Stifter und Spender besteht also möglicherweise kein Anreiz mehr, ihr Geld an unabhängige Nichtregierungsorganisationen zu ver­teilen.

Geschätztes Vermögen: Unbekannt.

Woher kommt das Geld? Enkelin von Robert Bosch, geboren mit einem Kontostand von einer Million Mark.

Wohin geht das Geld? An die gemeinnützige GmbH Dreilinden und die Stiftung Filia für Frauenprojekte.

Wie viel Weltfrieden hat es gebracht? 40 Millionen Euro für Dreilinden und ihren Ratgeber „Besser spenden“.

Der Historiker Thomas Adam hält diese Reform für ein großes Experiment: „Sobald die Steuererklärungen gemacht sind, können wir tatsächlich überprüfen, ob man über Steuern das Spenden und Stiften lenken kann.“

Geschätztes Vermögen: Eine Milliarde Euro.

Woher kommt das Geld? Britisch-sudanesischer Mobilfunkunternehmer.

Wohin geht das Geld? An die Mo Ibrahim Stiftung für Regierungsführung in Afrika.

Wie viel Weltfrieden hat es gebracht? Gründerboom in Afrika durch den wachsenden Mobilfunkmarkt.

Geschätztes Vermögen? 700 Millionen Euro.

Woher kommt das Geld? Von seinem Vater Philipp Fürchtegott Reemtsma.

Wohin geht das Geld? Ans Hamburger Institut für Sozialforschung und die Arno Schmidt Stiftung.

Wie viel Weltfrieden hat es gebracht? Er wurde Literaturprofessor, Soziologe und Stifter – statt Chef der Zigarettenfabrik. Luisa Willmann

Die Warnungen davor, dass dieses Jahr weniger Geld gespendet wird, hält Thomas Adam für verfrüht. Ein anderes Problem sei viel drängender: „Was passiert, wenn Rechtsradikale eine Stiftung zur Bildungsförderung schaffen?“

Das einzige Glück sei, dass Stiftungen im rechten Spektrum bislang keinen guten Ruf haben, sagt Adam. Gegen den Protest der Basis hat sich die AfD allerdings kürzlich dazu entschlossen, den Desiderius-Erasmus-Verein als AfD-nahe Stiftung anzuerkennen. Für Adam ein neuer Schritt der Rechten. Ein gefährlicher.