Mitarbeiter mit Fellgesicht

Hunde am Arbeitsplatz sind nichts Ungewöhnliches mehr. Studien belegen, dass Bürotiere für alle von Vorteil sind

Ein natürlicher Weg, Burn-outs zu verhindern Fotos: Karsten Thielker

Von Helmut Höge

Wenn es darum geht, die besten Tiere am Arbeitsplatz auszuwählen, sind sich die Experten einig: Als Bürotier eignet sich vor allem ein Hund. „Der Hund ist flexibel und kann sich schnell auf neue Umgebungen einstellen“, sagt Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund. „Kleintiere wie Hamster kommen als Bürotiere nicht unbedingt infrage. Schon die Fahrt zum Büro stresst sie, außerdem sitzen sie im Käfig und können deshalb nicht so ohne Weiteres gestreichelt werden.“

Die Schweizer Internetplattform für Tierinserate, „petfinder“, listet neben den Hunden auch noch einige andere Tiere auf, die als bürogeeignet gelten: „Wenig problematisch sind Zierfische, sofern klar geregelt ist, wer die Verantwortung für ihre tierschutzgerechte Betreuung trägt.“ Abgeraten wird hier indes von Ziervögeln. Diese seien wegen ihres teilweise permanenten Gesangs kaum geeignet. Ebenso wenig werden Nager wie beispielsweise Meerschweinchen empfohlen, da diese Tiere sensibel auf Stress reagieren. Abgeraten wird auch von Bürokatzen. Gleichwohl erfreuen sich Katzen an Universitäten mit parkähnlichem Campus steigender Beliebtheit, einigen hat man sogar eigene Blogs eingerichtet.

Der Wolf im Seminarraum und auf der Studentenparty

Es gibt aber auch Beispiele für exotischere Tiere am Arbeitsplatz. Der britische Schriftsteller und in den USA lehrende Professor für Philosophie Mark Rowlands zum Beispiel nahm einen kanadischen Wolf, den er Brenin nannte, mit in seine Uni-Seminare. Seinen Studenten schrieb er kleine Zettel: Sie bräuchten keine Angst vor dem Wolf zu haben, nur sollten sie ihm keine Beachtung schenken und Lebensmittel nicht offen herumliegen lassen. Rowlands musste den Wolf überall mit hinnehmen, weil Brenin alles in seinem Umkreis zerbiss, wenn man ihn allein ließ.

„Wölfe sind sehr, sehr schnell gelangweilt“, musste Rowlands schnell feststellen. Da Brenin und er elf Jahre lang unzertrennlich waren und viele Unterkünfte, Arbeitsplätze, Restaurants, Kneipen, Sportveranstaltungen und Reisen teilten, entwickelten sie mit der Zeit eine symbiotische Beziehung, in der sich das Herr-Knecht-Problem so auflöste: „Wenn Brenin ein Sklave war, bin ich ebenfalls einer.“ Sein enges Verhältnis zu dem Wolf brachte ihm aber auch Vorteile, so wenn sie gemeinsam Partys besuchten: „Fast überall erwies sich der Wolf als ‚Mädchenmagnet‘, sodass man sich ‚die übliche mühsame Anbaggerei‘ sparen konnte“, berichtete er.

Ganz so exotisch geht es in der Mongolei zwar nicht zu. Aber immerhin legen die Mitarbeiter der dortigen Nationalparks ihren Weg zur Arbeit auf Pferden zurück. Jedoch nehmen sie die Tiere nicht mit ins Büro, sondern lassen sie vor der Türe stehen.

Wie viele Bürohunde gibt es?

In Deutschland gibt es sie bundesweit in allen Branchen und Größen. Gut 480 Unternehmen sind bei Bürohunde e. V. registriert. Insgesamt sind es weitaus mehr. Die meisten großen Unternehmen befinden sich allerdings noch im zwölfmonatigen „Integrationsprozess“, der von dem Verein Bürohunde begleitet wird. Die Unternehmen dürfen jedoch noch nicht öffentlich gemacht werden, da sonst der Abschluss gefährdet sei. Bei XING in Hamburg ist der Prozess erfolgreich abgeschlossen. Unter den 700 Mitarbeitern befinden sich 15 bis 16 Hunde.

Die 4 Phasen des Integrationsprozesses, vorgeschlagen von Bürohunde e. V.:

1. HundebesitzerIn: Vorteile des Bürohundes erklären, mit den Kollegen über Ängste sprechen und Lösungen suchen.

2. Arbeitgeber: Individuelle Regeln und Rahmenbedingungen wie Sitzordnung festlegen.

3. Pilotprojekt starten: Sanktionen organisieren wie zum Beispiel dem Hundebesitzer die Gelbe Karte geben, wenn sein Hund vor den Eingang kackt. Bei Rot darf der Hund nicht mehr mitkommen.

4. Austausch: Was lief gut, was lief schlecht?

Hunde im New-Work-Konzept

Die Arbeitswelt befindet sich im Umbruch. Die Forderung danach, die Arbeit so zu gestalten, dass jeder lieber, kreativer und effizienter arbeiten kann, wird immer lauter. Das ganze wird zurzeit unter dem Schlagwort „New Work“ diskutiert. Dazu gehört auch, ein hundefreundliches Ar­beits­umfeld zu schaffen. Im Ländervergleich ist laut Markus Beyer von Bürohunde e. V. die Hunde-Nation Deutschland weit vorne. „Das macht uns international wettbewerbsfähiger.“

Noch liegen die amerikanischen Unternehmen weit vorne: Google bezeichnet sich als „dog company“, und bei Amazon in Seattle arbeiten neben 40.000 Menschen auch 6.000 Hunde. Für sie gibt es unter anderem einen 100 Quadrat­meter großen Hundepark mit eigener Trink­wasserfontäne. Luisa Willmann

Wieder etwas außergewöhnlicher sind US-Tierschützer, die Eulenvögel als „companion species“, Begleitertiere, loben, weil sie so leise und neugierig seien, und Berichte über wild lebende Eulen zitieren, die sich vor Bürofenster setzen und zusehen, wie die Leute im Büro arbeiten. Der englische Militärhistoriker Martin Windrow, der ein Buch über seine Eule schrieb, gibt allerdings zu bedenken, dass man wegen ihrer unkontrollierten Ausscheidungen Zeitungen auslegen muss und alle Personen im Büro, in dem die Eule sich aufhält, einen Stahlhelm tragen müssen, denn sie landet gerne lautlos auf deren Köpfe und hat scharfe Krallen.

Ein österreichisches Internet­forum hat noch ein exotisches „Bürotier“ zu empfehlen: die Landschildkröten. „Sie sind pflegeleicht und es ist nicht schlimm, wenn man aus Versehen mal auf eine rauftritt“.

Aber zurück zu den Hunden. Warum sich so viele Leute über Hunde am Arbeitsplatz freuen, erklärt der Berliner Hundetrainer Markus Beyer mit einem hormonellen Vorgang: „Die schwedische Forscherin Linda Handlin hat vor einigen Jahren bewiesen, dass das Liebes- und Bindungshormon Oxytocin nicht nur im zwischenmenschlichen Kontakt ausgeschüttet wird. Hundehalter, die ihre Tiere streichelten, kamen auf ähnliche Werte wie Mütter, die mit ihren Kindern interagierten – und auch die Hunde selbst schütten Oxytocin aus. Daher kommt die tiefe innere, gegenseitige Bindung.“

Oxytocin senke Stresshormone, so Beyer. Ein Hund im Büro sei deswegen ein natürlicher Weg, Burn-outs zu vermeiden. Auch das Betriebsklima werde besser, weil ein höheres Oxytocinlevel uns empathischer und loyaler mache, was die Kosten für die Vermittlung qualifizierter Arbeitskräfte senke.

Wie eine Erinnerungs-App mit Hundeaugen zur Vorsorge

Und dann gäbe es noch die gesundheitlichen Aspekte: „Wir bekommen mehr Bewegung. Man unterbricht krankmachende Abläufe. Der Hund kommt ab und zu und guckt, wie es mir geht. Er ist quasi eine Erinnerungs-App mit Fell, dass man für sich und andere sorgen soll!“

„Hunde schütten Oxytocin aus. Daher kommt die tiefe innere Bindung“

Markus Beyer, Hundetrainer

Was heißt das aber nun für die Unternehmensleitungen? Der Bürohunde e. V. empfiehlt jedem Unternehmen, eine schriftliche „Dog Policy“ aufzusetzen. Darin soll festgehalten werden, dass jeder, der einen Hund zur Arbeit mitbringt, eine Haftpflichtversicherung für ihn braucht und für Sauberkeit und Gesundheit des Tieres zu sorgen hat. Außerdem sollte festgelegt werden, wie viele Hunde es maximal pro Büro oder Etage geben dürfe. Wichtig sei aber vor allem, dass der Hund niemals bloßes Mittel zum Zweck sein dürfe, also nur zum Stress­abbau oder Teambuildung einbezogen werde.

Erst kürzlich, am 22. Juni, wurde der internationale „Take your Dog to Work Day“ gefeiert. Zu diesem Anlass zitierten viele Medien die vergangenes Jahr veröffentlichte Studie im International Journal of Environmental Research and Public Health. Die kam zu dem Ergebnis, dass Hunde am Arbeitsplatz für soziale Unterstützung sorgen und auch für die Kollegen eine angenehmere Atmosphäre schaffen.

Aber Vorsicht: Wenn wenig beliebte Vorgesetzte sich zu diesem Zweck einen Bürohund zulegen, kann die Aversion der Mitarbeiter sich auch auf den Hund erstrecken. Im Endeffekt passiert das, was schon Solschenizyn im „Archipel Gulag“ schrieb: „Bei den ganzen Abrüstungsgesprächen über Raketen und Atombomben vermisse ich die Diskussion über Hunde – diese setzen den Menschen als Wachhunde mehr zu als alle Raketen und Bomben zusammen!“