Ingenieure lernen von den Flügeln der Vögel

Windräder werden leiser, wenn die Rotorblätter mit Kämmen bestückt werden. Sie wirken wie eine Art Gefieder. Auch Luftöffnungen und Lacke sind wichtig für weniger Lärm

Besser für die Abendruhe: leisere Windräder Foto: imago

Von Bernward Janzing

Bereits laufende Windkraftanlagen können leiser werden. Das ist möglich, wenn an den Rotorblättern Kämme nachgerüstet werden. Versuche an zwei Anlagen des Herstellers Enercon in Saint-Brais im Schweizer Jura haben das jetzt bestätigt.

Windkraftanlagen stoßen unter anderem wegen des mitunter großen Lärms, den sie verursachen, auf Ablehnung. Dieses Problem könnte mit der neuen Technik angegangen werden. An der Hinterkante der Flügel der beiden 2009 gebauten Anlagen waren vor einem Jahr gezackte Kanten angebracht worden – im Fachjargon Serrations genannt. Diese Kanten mindern die Luftverwirbelungen hinter dem Rotorblatt. Analysen belegen nun die Wirkung: „Die Geräuschmessungen vor und nach Anbringung der Kämme haben ergeben, dass sich die Lärmbelastung um zwei bis vier Dezibel verringert hat“, so Xavier Falourd von der Firma Prona, die die Messungen vornahm. Bei einer Straße wäre das vergleichbar mit einer Halbierung des Verkehrslärms, sagt der Akustiker.

Die Kämme wirken wie eine Art Gefieder. Ihre Konstruktion sei von den Flügeln der Eulen abgeschaut, erklärt die Vereinigung zur Förderung der Windenergie in der Schweiz, Suisse Eole. Bei neuen Windenergieanlagen bieten die Hersteller solche Kämme seit einigen Jahren als Option an – für Anlagen an „schallsensitiven Standorten“, wie es in der Branche heißt.

Die Kämme sind nur eines von vielen technischen Details, die über die Lärmemission des drehenden Rotors entscheiden. Dass an den Flügeln Strömungsgeräusche entstehen, liegt bei den enormen Geschwindigkeiten auf der Hand: Die Flügelspitzen heutiger Anlagen bewegen sich mit rund 300 Kilometern pro Stunde. Ein solches Tempo ergibt sich aufgrund der riesigen Durchmesser bereits bei einer – aus der Ferne eher gemütlich wirkenden – Drehzahl von zwölf Umdrehungen pro Minute.

Um die Entstehung von Lärm an den Flügeln zu reduzieren, arbeiten Forscher und Windkraftfirmen seit Jahren auch an der Form der Flügelspitzen. Manche Hersteller knicken die Enden der Blätter mehr oder weniger stark, sie formen sogenannte Winglets. Auch die Profile der Flügel entwickeln sie weiter – dünnere sind von Vorteil. Die Oberflächen der Blätter wurden zugleich durch neue Lackanstriche optimiert. Das bringt neben einer geringeren Geräusch­entwicklung auch eine höhere Stromausbeute.

Ein weiterer Ansatz, den Lärm zu reduzieren, sind Aktuatoren in den Rotorblättern. Das sind mechanische Komponenten, die aktiv die Luftströmung verändern. „Wir konnten zeigen, dass sich der Lärm am Rotorblatt durch Absaugen der Grenzschicht reduzieren lässt“, sagt Thorsten Lutz vom Institut für Aerodynamik und Gasdynamik an der Universität Stuttgart. Dafür sind kleine Luftöffnungen in der Flügeloberfläche nötig. Ob sich solche Techniken durchsetzen können, sei aber noch nicht klar, sagt Lutz: Diese Konzepte sind relativ aufwendig, und sie machen die Rotorblätter schwerer.

Unterdessen ist von den Herstellerfirmen zum Thema Lärmminderung wenig Konkretes zu erfahren. Zwar heißt es unisono, dies sei ein Riesenthema. Schließlich spielt die Lautstärke der betreffenden Anlage im Genehmigungsverfahren eine wichtige Rolle. Doch darüber, was genau die Firmen entwickeln, reden sie nicht gerne – schließlich sind geringe Schallemissionen längst ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.