sportplatz
: Alte Dame –
jung wie nie

Hertha beginnt die Saison mit mehr jungen Spielern auf dem Platz und mehr jungen Fans auf der Tribüne

Es waren am Ende aber doch zwei Routiniers, die für das 1:0 gegen Nürnberg sorgten

Von André Anchuelo

Was war denn da los? Als am Samstagnachmittag im Olympiastadion das Bundesligauftaktspiel von Hertha BSC anstand, sah es ein bisschen so aus, als hätten sich die umliegenden Schulen zu einem Wandertag verabredet. In den S-Bahnen, vor dem Stadion – stellenweise waren Kids unter 14 Jahren deutlich in der Überzahl.

Hertha hat im Olympiastadion mit seinen knapp 75.000 Plätzen mit chronischem Zuschauermangel zu kämpfen. Mittelfristig soll deswegen bekanntlich eine kleinere, engere Arena her. Kurzfristig nützen diese Pläne jedoch nichts. In der vergangenen Spielzeit schaffte es Hertha als einziger Bundesligist nicht ein einziges Mal, seine Spielstätte komplett zu füllen – selbst gegen Publikumsmagnet Bayern München nicht. Im Schnitt war das Stadion nicht einmal zu 60 Prozent ausgelastet. Deshalb hatte der Hertha-Vorstand eine Idee: Kinder unter 14 Jahren sollen zu allen Heimpartien, mit Ausnahme der Spiele gegen Bayern und Dortmund, freien Eintritt bekommen. Das könnte auf lange Sicht auch dafür sorgen, dass sich in dieser Stadt der Zugezogenen wenigstens unter den Heranwachsenden eine stärkere Bindung zu dem Charlottenburger Club herausbildet.

Auch kurzfristig scheint die Idee nicht verkehrt gewesen zu sein. Mit knapp 53.000 ZuschauerInnen strömten etwa 8.000 Menschen mehr als zum Auftakt der vergangenen Saison ins Stadion. Wie damals gegen den VfB Stuttgart ging es erneut gegen einen Aufsteiger. Der 1. FC Nürnberg machte es den Gastgebern deutlich schwerer als vor Jahresfrist die Schwaben. Zwar brachte das Team von Michael Köllner nach vorne wenig zustande, doch hinten stand der Rekordaufsteiger stabil. Besonders das Zentrum stellten die Franken gut zu.

Hertha war als Favorit in die Partie gegangen, tat sich aber schwer. „Nürnberg war eine sehr gut organisierte, clevere Mannschaft“, lobte der Berliner Trainer Pál Dárdai nach dem Spiel den Gegner. „In der ersten Halbzeit hat uns durch das neue System ein wenig der Mut gefehlt“, analysierte der Ungar, der auch etwas Nervosität bei seiner Mannschaft gesehen hatte. Beides war wenig verwunderlich. Nachdem Hertha jahrelang mit einer Viererkette in der Abwehr gespielt hatte, ging es nun erstmals mit einer Dreierkette unter Wettkampfbedingungen gegen einen Bundesligisten.

Viel wichtiger aber war freilich, dass Dárdáis Startelf die Entsprechung zu den vielen Kids auf den Tribünen darstellte. Man könnte auch sagen: Sie war extrem jung. Verstärkt durch die drei Ü-30-Kämpen Salomon Kalou, Rune Jarstein und Vedad Ibisevic handelte es sich ansonsten eher um eine U23-Mannschaft. Lediglich WM-Teilnehmer Marvin Plattenhardt repräsentierte so etwas wie die mittlere Generation, alle anderen Spieler waren 23 Jahre alt oder noch jünger.

In den beiden Schlüsselszenen waren es allerdings zwei Routiniers, die dafür sorgten, dass Hertha mit drei Punkten in die neue Saison startete. In der 27. Minute hatte Kapitän Ibisevic nach feiner Vorarbeit von Valentino Lazaro keine Mühe, zum 1:0 zu vollenden. Es war das 111. Bundesligator des 34-Jährigen. Fünf Minuten vor Schluss war es der ebenfalls 34-jährige Keeper Jarstein, der einen Handelfmeter von Mikael Ishak parierte und damit den Sieg festhielt.

Weniger gut als die Idee mit dem freien Eintritt für Kinder war es wohl, dass Hertha nur einen Tag vor dem Spiel mitgeteilt hatte, das Musikprogramm vor dem Anpfiff zu verändern. Dass das Team ab sofort nicht mehr zu Frank Zanders „Nur nach Hause“, sondern zu Seeeds „Dickes B“ den Platz betritt, sorgte für ein gellendes Pfeifkonzert zum Spielbeginn. Auch das mag ein Grund gewesen sein, warum die junge Mannschaft etwas nervös begann. Die ohnehin eher komplizierte Beziehung zwischen Vereinsführung und aktiver Fanszene hat sich zum Saisonauftakt jedenfalls nicht gerade verbessert.