die woche in berlin
: die woche in berlin

Mit Adjektiven ist das so eine Sache – auch mit dem nicht nur in Berlin derzeit so oft benutzten Begriff „radikal“. Zweifelsfrei gut klingt dagegen ein BSR-Vorschlag: Die Orangefarbenen wollen die Parkreinigung in Berlin übernehmen. Dann haben es dort vielleicht auch die Studierenden gemütlicher – die finden in Berlin nämlich keinen bezahlbaren Wohnraum mehr. Damit es den bald gibt, hat Bausenatorin Lompscher jetzt Maßnahmen ergriffen – und einen Maßnahmenkatalog vorgelegt.

Radikal ist nicht gleich radikal

Der Regierende kritisiert seine Staatssekretärin

Es ist ein Graus mit den Adjektiven: Auf den ersten Blick ist ihre Bedeutung meist klar. Aber wer mit anderen darüber diskutiert, muss schnell feststellen, dass jene sich unter blau, abgehoben, brüsk oder radikal bisweilen ganz unterschiedliche Dinge vorstellen. Dafür gibt es gute Gründe: „Radikal“ erklärt der Duden zum einen schlicht mit „von Grund aus erfolgend“ und „vollständig“, zum anderen als „mit Rücksichtslosigkeit und Härte vorgehend“ beziehungsweise „eine extreme politische, ideologische, weltanschauliche Richtung vertretend“. Und dann ist da natürlich der Kontext wichtig.

Vor dem Hintergrund der rechtsextremen Hetzjagden in Chemnitz hatte Berlins Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement, Sawsan Chebli, (SPD) getwittert: „Wir sind zu wenig radikal.“ Der Tweet sorgte für Aufruhr, sie löschte ihn später wieder. Trotzdem wies ihr Chef, der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), der von Twitter eigentlich gar nichts hält, sie am Dienstag noch einmal in die Schranken. Auf einem Empfang der SPD-Fraktion erklärte er in seiner Begrüßung: „Der Rechtsstaat ist nie radikal.“

Dass das Adjektiv in vielen Gesprächen des Abends zum Running Gag wurde, zeigt schon, dass nicht alle Müllers Einschätzung teilten oder zumindest die öffentliche Rüge für übertrieben hielten. Auch dafür gibt es gute Gründe: Der Rechtsstaat muss in dem Sinne radikal sein, dass er „von Grund aus erfolgend“ trennt, was rechtens ist und was nicht. Und ein Rechtsstaat sollte in Situationen, in denen Menschen aufgrund ihres Aussehens durch die Straßen gejagt werden, eine radikale Gegenmaßnahme sein: indem er nämlich diesem Treiben zumindest nachträglich Einhalt gebietet und es ahndet.

Doch das Vertrauen, dass der deutsche Rechtsstaat dazu willens ist, schwindet mehr und mehr, nicht nur in Sachsen, wo offenbar vor allem radikal weggeschaut wird. Auch jeder weitere Satz des bayerischen Bundesheimatministers trägt dazu bei. Sich dieser Entwicklung entgegenzustellen, und zwar „vollständig“, müsste eigentlich Pflicht jeder (Sozial-)Demokratin sein.

Das mag manchem nach Wortklauberei klingen. Doch man kann sich nur an klaren Kanten, an steilen Thesen, an radikalen Aussagen reiben und weiterentwickeln. Das ist wichtig, erst recht für eine inhaltlich entleerte Partei wie die SPD.

Bert Schulz

Hauptsache, die Parks sind sauber

BSR will Parkreinigung den Bezirken abnehmen

Ein Nachruf auf den Sommer wäre verfrüht. Der Wetterbericht verspricht noch warme Tage, und zwei Freibäder haben ja auch noch auf. Ein Fazit kann man aber schon ziehen: Selten waren Berlins Grünanlagen so frequentiert wie in den vergangenen Monaten. Nicht nur in innerstädtischen Anlagen wie dem Görlitzer Park, dem Park am Weißen See und dem Lietzenseepark reihte sich Picknickdecke an Picknickdecke, qualmten die Grills. Die Müllbeseitigung – man glaubt es kaum – hat funktioniert!

Für Berlin ist das keine Selbstverständlichkeit. Die Beschwerden über den verdreckten Görli sind einem noch im Ohr. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg sah tatenlos zu.

Viele Jahre war das so. Als Entschuldigung könnte man anführen, dass alle zwölf Bezirke zusammen vom Land nur 105 Millionen Euro im Jahr für ihre Grünanlagen bekommen. Davon müssen sie sowohl die Reinigung als auch alle Gartenarbeiten bezahlen. Das Geld reiche hinten und vorn nicht, klagen Bezirksvertreter. Charlottenburg-Wilmersdorf ist nicht der einzige Bezirk, der 80 Prozent der Arbeiten an Privatfirmen outgesourct hat, weil die billiger arbeiten. Ergebnis siehe Görli. Es war also ein Glücksfall, dass der Senat 2016 auf die Idee kam, besonders beliebte Parks mit hohem Müllanfall von der Stadtreinigung säubern zu lassen. Görli inklusive, schwingt die BSR inzwischen auf 46 Grünflächen mit fast 300 Hektar den Besen und leert Mülleimer – bei Bedarf mehrmals täglich. Die Zufriedenheitswerte der Nutzer, die die BSR regelmäßig durch Umfragen ermittelt, sind sprunghaft gestiegen.

Anfang der Woche erklärte BSR-Chefin Tanja Wielgoß, sie könne sich vorstellen, dass die Stadtreinigung künftig alle Grünanlagen reinige. Rund 2.700 wären das. Kosten würde das rund 130 Millionen Euro im Jahr. Vergleicht man die Summe mit dem Budget, das die Bezirke bekommen, ist das ganz schön ungerecht. „Für das viele Geld könnten wir das auch“, hieß es sofort.

Entschieden ist noch nichts. Aus Bevölkerungssicht ist die Frage, wer das Geld bekommt, sowieso Nebensache – Hauptsache ist, dass die Parks sauber sind. Und mal ehrlich: Der BSR vertraut man da doch mehr, oder? Plutonia Plarre

Statt studieren Bude suchen

Für Erstsemester ist das Wohnangebot eine Qual

Ein Zimmer in einer Berliner Wohngemeinschaft kostet im Schnitt 420 Euro, stellt eine am Montag präsentierte Studie des Moses-Mendelssohn-Instituts fest. Berlins WG-Zimmer sind damit auf Platz sechs der teuersten in Deutschland. Angesichts der explodierenden Mietpreise in der Hauptstadt ist diese Nachricht wenig verwunderlich. Dramatisch sind allerdings die Konsequenzen, die sich hinter der Zahl verbergen, besonders für die rund 50.000 Studienanfänger, von denen sich viele im Herbst auf Wohnungssuche begeben werden.

Als ich vor fünf Jahren als frischer Student nach Berlin zog, kostete ein WG-Zimmer im Schnitt „nur“ 335 Euro. Einfach zu finden war es schon damals nicht. Zwei Monate verbrachte ich auf den Sofas verschiedener Freunde, bis ich auf einer Gartenparty zufällig meinen künftigen Mitbewohner kennenlernte. Anstatt enthusiastisch in mein Studium zu starten, verbrachte ich meine Zeit vor allem damit, Dutzende Anfragen zu schreiben, mich bei WG-Castings zu präsentieren, Wohnungen zu besichtigen und mir darüber Gedanken zu machen, wo ich die nächste Woche unterkomme. Ich war damit weder ein Einzel- noch ein Härtefall. Wenigstens hatte ich Freunde in Berlin, andere mussten sich in Hos­tels einquartieren, hangelten sich von Zwischenmiete zu Zwischenmiete und hatten zum Semesterende immer noch keine feste Bleibe.

Wohnheimplätze? Fehlanzeige, Wartezeiten von drei Semestern waren auch schon 2013 die Norm. Um sich zu bewerben, muss man an einer Berliner Hochschule immatrikuliert sein. Nur mit viel Glück lässt sich zu Studienbeginn ein Platz in deren oftmals abgelegenen Wohnheimen finden.

Die Situation dürfte sich seitdem noch verschlimmert haben. Die Zahl der Studierenden wird auch dieses Wintersemester einen neuen Höchststand erreichen. Es wurden aber entgegen großspuriger Ankündigungen des Senats kaum neue Wohnheimplätze geschaffen. Dafür gibt es immer mehr private Heimbetreiber, die hippe Einzelappartements für 800 Euro und mehr vermieten.

Leidtragende sind vor allem finanziell schwache Studierende. Selbst mit dem Bafög-Höchstsatz von 735 Euro ist ein Studium in Berlin ohne Nebenjob nicht mehr finanzierbar. Besonders benachteiligt sind auch Studierende aus dem Ausland. Sie können vor Studienbeginn nicht persönlich zu Castings und Besichtigungen erscheinen, kennen sich mit der Wohnungssuche in Berlin nicht aus und werden häufiger Opfer von Betrügern. Jonas Wahmkow

Selbst mit dem Bafög-Höchstsatz von 735 Euro ist ein Studium in Berlin nicht mehr finanzierbar

Jonas Wahmkow über die Wohnungsnot unter Studierenden

Es läuft bei Lompscher

Die Bausenatorin ver­schafft sich etwas Ruhe

Erst die Neubautour mit dem Regierenden Bürgermeister, dann am Dienstag die Verabschiedung ihres Papiers im Senat. Für Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) läuft es derzeit. Von der SPD vor Kurzem noch als Bauverhinderin gescholten, macht sie nun, was eine Bausenatorin tun sollte: den Neubau von Wohnungen beschleunigen.

Macht sie wirklich? Das „Handlungsprogramm zur Beschleunigung des Wohnungsbaus“, das der rot-rot-grüne Senat verabschiedete, ist zunächst nicht mehr als eine Absichtserklärung. Eine Taskforce soll ran, Bäume sollen auch weiterhin gefällt werden können, bevor eine Baugenehmigung vorliegt, der Ausbau von Dachgeschossen soll ausgeweitet werden, und auch Genossenschaften sollen künftig, wie im Koalitionsvertrag schon beschlossen, an landeseigene Grundstücke kommen.

Ob Lompscher damit doch noch die Ziellinie erreicht, ist fraglich. Eigentlich wollte Rot-Rot-Grün in dieser Legislaturperiode 30.000 neue landeseigene Wohnungen bauen. Im Juni räumte Lompscher ein, dass es nur 25.000 werden könnten. Daraufhin setzte ihr die SPD ein Ultimatum. Bis Ende August soll sie einen Maßnahmenkatalog zur Beschleunigung des Wohnungsbaus vorlegen. Der ist nun da. Doch Papier ist bekanntlich geduldig.

Mit ihrem Handlungsprogramm hat sich Lompscher dem Druck der SPD gebeugt und etwas Ruhe verschafft. Gleichzeitig hat sie den dritten Koalitionspartner brüskiert. Zwar nickte die von den Grünen gestellte Umweltsenatorin das Papier im Senat ab, doch in der grünen Abgeordnetenhausfraktion herrscht Unmut. Denn nicht nur die SPD schaut genervt darauf, wie die Linke mit ihrer Mischung aus Koalitionsräson und Linke-first-Politik in den Umfragen nach oben klettert. Auch die Grünen sind not amused.

Vorerst aber ist das Neubauthema vom Tisch. Lompscher hat Papier geliefert, nun muss sie Wohnungen liefern. Dass sie dabei auch von einem prominenten Grünen unterstützt wird, von dem man das nicht erwartet hätte, ist die hübsche Pointe dieser Woche. Florian Schmidt, grüner Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg und bisher vor allem durch den Ankauf von spekulationsbedrohten Häusern aufgefallen, hat ebenfalls eine Neubauinitative angekündigt.

Uwe Rada