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AfD-Politikerin wechselt zu Die Linke

Parteiwechseln kann für Politiker*innen heikel werden. Wer will sich schon verkalkulieren wie die niedersächsische Landtagsabgeordnete Elke Twesten, die nicht nur die rot-grüne Regierung von Stephan Weil zu Fall brachte, als sie 2017 von den Grünen zur CDU ging, sondern auch ihre eigene Karriere.

Von den Grünen zur CDU, das ist ein ziemlicher Spagat. Aber es geht noch extremer. So wie es am 10. September im Osnabrücker Kreistag geschehen ist: Tanja Bojani, seit Ende 2016 – eher unauffällige – AfD-Abgeordnete, wird Mitglied der Fraktion von Die Linke. Ein Wechsel quer durchs politische Spektrum, der Erstaunen auslöst. Die AfD-Fraktion schrumpft dadurch auf drei Köpfe, die Linken-Fraktion wächst auf drei.

„Diffamierungen“ wirft Bojani, 42, der AfD vor, politische Maulkörbe, „menschenverachtende Hetze“, Frauenfeindlichkeit, „eine Atmosphäre der Pauschalisierungen, flacher Propagandasprüche“, Eindimensionalität, Psychoterror. Der „ständige Zoff“ sei unerträglich gewesen, „das Intrigieren, das Schikanieren“. Zudem habe sie sich ausgespäht gefühlt. „Die wussten genau, mit wem ich in Kontakt stehe, haben mich zur Rede gestellt, manchmal wie im Verhör.“

Die AfD, in die sie 2015 eintritt, ist ihre erste politische Partei. „Sowas wird in der Politik wohl normal sein, habe ich gedacht.“ Einer der Gründe, warum die heutige Busfahrerin damals zur AfD ging: ihre Arbeit in der Security der Landesaufnahmebehörde Bramsche-Hesepe bei Osnabrück. „Sister Security wurde ich da genannt“, erzählt sie, und man merkt, das gefällt ihr. Aber braun sei sie auch damals nie gewesen. Oder rassistisch. Oder so.

„Man muss immer den Einzelmenschen sehen“, sagt Linken-Fraktionschef Andreas Maurer. „Und Tanja passt zu uns. Sie hat unseren Anträgen oft ihre Stimme gegeben.“ Er will Bojani „integrieren“, als „Mensch, der auf der Suche ist nach einer zweiten Chance“, und ein bisschen hört er sich dabei an wie ein Resozialisierungshelfer. Sein Asyl sieht er als „Mittel gegen den Rechtsruck“. Und da ist was dran. Bojanis Abgang schwächt den AfD-Kreisverband stark, der seit Langem zerrissen ist von Machtkämpfen und Rücktritten.

Felix Elsemann, Fraktionsvorsitzender des besagten AfD-Kreisverbandes, weist Bojanis Kritik zurück. Er kontert: „Mit den politischen Zielen der AfD brechen, die Geldbezüge aber weiterhin einstreichen. Glaubwürdigkeit sieht anders aus!“ Wahrscheinlich müsse demnächst das Kreistagsmandat als Eintrittskarte für eine neue Partei herhalten. Am kommende Montag wird es ernst für Tanja Bojani. Da wird der Wechsel im Kreistag offiziell. „Mulmig ist mir schon“, sagt sie. „Hoffentlich sind die Attacken nur verbal.“

Harff-Peter Schönherr