heute in hamburg
: „Es interes­siert null, ob Helene Fischer singt“

taz Salon: „Wohin mit der Liebe zum Fußball?“, 19:30 Uhr, Kulturhaus 73, Schulterblatt 73, Eintritt frei

Interview: Marthe Ruddat

taz: Herr Lienen, wie haben Sie eigentlich Ihre Liebe zum Fußball entdeckt?

Ewald Lienen: Ich habe Fußballspielen von klein auf geliebt und bin in einer Zeit aufgewachsen, in der es noch nicht so viele andere Vergnügungen gab, wie das heutzutage der Fall ist.

Und warum sind Sie bis heute dabei geblieben?

Warum soll ich etwas, das ich liebe und für das ich mich interessiere, einfach wieder fallen lassen? Ich hatte Spaß daran und habe auch erfolgreich gespielt, deshalb bin ich dabei geblieben.

Hat der Fußball ein Kommerz-Problem?

Kommerzialisierung betrifft alle Bereiche unserer Gesellschaft, der Fußball ist davon natürlich auch nicht verschont geblieben. Solange es Menschen gibt, die Fußball spielen und Menschen, die Fußball sehen wollen, so lange gibt es auch Menschen, die daran – in welcher Form auch immer – Geld verdienen wollen. Ich glaube aber, dass die Menschen unterschiedliche Dinge meinen, wenn sie von Kommerzialisierung sprechen.

Welche denn?

Mich interessiert null, ob Helene Fischer beim Pokalendspiel singt oder nicht. Es geht für mich um ganz andere Dinge. Zum Beispiel darum, dass Abermillionen Euro jährlich als Vermittlungsprovisionen aus dem Kreislauf verschwinden. Oder um die Frage, ob wir über die fortschreitende Kommerzialisierung den Vorbildcharakter des Profifußballs und der Vereine aus den Augen verlieren.

Foto: dpa

Ewald Lienen, 64, ist ehemaliger Fußballprofi und war Trainer des FC St. Pauli. Im Mai 2017 übernahm er dort die Position des Technischer Direktors.

Also gibt es Handlungsbedarf?

Wir alle sind aufgerufen, uns Gedanken zu machen, wie sich unsere Gesellschaft und damit auch der Sport entwickeln soll. Und die, denen das nicht egal ist, können ihre Kräfte ins Spiel bringen und etwas beeinflussen.

Und wie soll das gehen?

Zunächst einmal können alle mit ihrem Konsumverhalten darüber entscheiden, inwieweit sie gewisse Entwicklungen mittragen wollen. Darüber hinaus kann sich jeder, zumindest derjenige, der in der Öffentlichkeit steht, am Meinungsbildungsprozess beteiligen. Ich mache mir immer wieder Gedanken darum, was aus meiner Sicht noch tragbar ist und was nicht. Ich sehe da auch die Medien in der Pflicht, denn auch sie verdienen am Fußball. Sobald in anderen gesellschaftlichen Bereichen etwas schiefläuft, wird das sofort angeprangert. Im Fußball gibt es viele ungesunde Entwicklungen, die oft nicht mit Überzeugung bekämpft werden, weil man sich den Fußball nicht kaputt machen will. Das stört mich immens, weil es verlogen und kontraproduktiv ist, wenn man den Fußball wirklich liebt.