Jan-Paul Koopmann
Popmusik und Eigensinn
: Heute traurig wegen gestern

Foto: privat

Diese 30th Anniversary Tour hat mich kalt erwischt. Nicht nur, weil ich keine Ahnung hatte, dass es die Posies immer noch gibt, sondern weil ich sogar vergessen hatte, dass es sie überhaupt je gab. Fan war ich zwar nie, aber da waren diese zwei Songs auf meiner Kassette. Die Titel weiß nicht mehr, aber vorher liefen Moody Blues mit „For­ever Autumn“ und danach irgendwas noch schlimmeres von Blue Öyster Cult. Dass diese Ménage-à-trois trotz gehörigen Altersunterschieds nicht nur zueinander, sondern auch zum Zeitgeist der späten 90er passten, ist bemerkenswert.

The Posies sind nämlich eine dieser The-Bands, die damals Pop (im engsten Sinne des Wortes) gemacht haben, und sie hätten gute Chancen, sich auf den Titel „Egalste Band der Welt“ zu bewerben – wären sie denn erwartungsgemäß Mitte der 90er eingegangen. Sind sie aber offenbar nicht.

Und so hat das One-Hit-Wonder ohne Hit es tatsächlich geschafft, diesen Spirit des ausgehenden Jahrtausends nicht nur auf alten Platten zu konservieren, sondern tatsächlich am Leben zu halten. Wo gibt es sonst noch diese verschachtelten Gebilde aus großen Worten, deren codehafte Sprache so klingt, als wäre die Wahrheit dahinter sogar noch größer?

Ein Beispiel: Der wohl bekannteste Posies-Song dürfte „Dream All Day“ sein. Die Gitarre darin zeichnet ein Bild vom leicht angekifften Dösen auf der Sommerwiese, mit leicht melancholischem Einschlag, weil man während der 90er immer sehr traurig über ihr nahendes Ende war. Aber der Text meint ein anderes Träumen: „In a blackened room / Staring into space / Underneath a thousand blankets / Just to find a place / Where everything is reachable / Imagining is safe / I tried to make it so / I didn’t even know“

Das ging da eben noch, diesen Weltschmerz im geschlossenen Raum als eine Erfahrung frischer Luft zu verkaufen. Immerhin musikalisch hat die andere Gitarrenpopnummer aus Seattle (Nirvana) da noch zaghaft an der Tür geklopft, die Posies aber haben die Vorhänge zugezogen. Und heute musizieren sie immer noch in dieser kleinen melancholischen Zeitblase, in der das seichteste der 60er, 70er und 80er verrührt zum Schmierfett der 90er vor sich hin blubbert. Seit 30 Jahren auf ganz kleiner Flamme.

Do, 25. 10., 20 Uhr, Tower