Atommüllgegner klauen Daten

Unbekannte „Monster“ haben heikle Details zu französischen Nuklearanlagen ins Netz gestellt

Aus Paris Rudolf Balmer

Unbekannte Hacker haben einen Angriff auf französische Infrastruktur-Einrichtungen gestartet – und hatten es dabei offenbar vor allem auf Atomkraftanlagen abgesehen.

Französische und deutsche Medien veröffentlichten am Freitag Informationen zu dem Datenklau, der allem Anschein nach dem Kampf gegen eine geplante unterirdische Atommüllentsorgung im ostfranzösischen Bure dienen sollte. Gehackt wurden demnach Daten des Ingenieurbüros Ingérop, darunter nicht nur Angaben zu Bauplänen und weitere Detail-Informationen über das gigantische Projekt, sondern auch zu anderen Infrastruktureinrichtungen wie Gefängnissen, dem öffentlichen Nahverkehr – und dem AKW Fessenheim an der französisch-deutschen Grenze.

Den Berichten zufolge erhielten die 1.700 Beschäftigten von Ingérop bereits im Juni eine mysteriöse E-Mail-Botschaft. Darin wurden alle auf ihre Mitverantwortung an dem umweltschädlichen Vorhaben der Endlagerung hingewiesen. Die Absender drohten mit „weiteren Aktionen“ und der Veröffentlichung vertraulicher Daten.

Unterzeichnet war die Botschaft mit: „Les Monstres de Cigéo“. Cigéo ist die Abkürzung für das Vorhaben, in Bure die radioaktiven Rückstände aus den französischen Atomkraftwerken und der Wiederaufbereitungsanlage La Hague definitiv zu vergraben. Seit Jahren wird dagegen demonstriert, seit Jahren auch sehen die wechselnden Regierungen in Paris keine Alternative für die Entsorgung.

Die unbekannten Hacker machten ihre Drohung wenig später wahr: Unter dem Titel „Ingérop Leaks“ spülten sie 80 Gigabyte mit Tausenden von Dateien des Ingenieursbüros ins Internet und stellten sie zum Download bereit. Bei näherem Betrachten seien die Details zwar nicht ganz so „sensibel“, wie zunächst befürchtet worden war, urteilte die Zeitung Le Monde. Immerhin geht es dabei aber um die Einschätzung der Risiken bei Naturkatastrophen oder um die Planung der Transportwege für den Atommüll.

Spur führt nach Dortmund

Kompromittierend für Ingérop ist besonders eine Datei, in der es um die Enteignung von Boden rund um die geplante Anlage von Bure geht: Die betroffenen Grundstücksbesitzer sind darin, je nach ihrer Bereitschaft zu verkaufen, in drei Kategorien der „Beherrschbarkeit“ erfasst. Auch Pläne für die Videoüberwachung in einer neuen Haftanstalt wurden geleakt, auch wenn Ingérop diesen Auftrag letztlich nicht erhalten hat.

Trotzdem ist der erfolgreiche Datenklau bei einem solchen Unternehmen, das effektiv in einem sicherheitsrelevanten Bereich tätig ist, höchst bedenklich. Die Spuren führen nach Dortmund: Dort wurden im Auftrag der französischen Justiz mehrere Festplatten beschlagnahmt, einstweilen ohne Ergebnis für die Fahndung. Im Netzwerk Indymedia drohten die Cigéo-Gegner unterdessen mit weiteren Enthüllungen im „Ingérop-Leaks“.