Beginn der Sozialpartnerschaft

Revolutionäre Situationen können zu erstaunlichen Allianzen führen. In größter Not entdeckten deutsche Unternehmer im November 2018 die Sozialpartnerschaft mit den Gewerkschaften – die sie zuvor inbrünstig bekämpft hatten. Plötzlich wurde den Arbeiterinnen und Arbeitern doch noch das zugestanden, wofür sie jahrzehntelang vergeblich gestritten hatten.

Aus Angst vor drohender Vergesellschaftung ihrer Unternehmen handelte der Ruhrindus­trielle Hugo Stinnes mit dem sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer Carl Legien eine weitreichende „Vereinbarung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden“ aus. Damit wurden die Gewerkschaften „als berufene Vertretung der Arbeiterschaft anerkannt“. Die Arbeiterinnen und Arbeiter erhielten die volle Koalitionsfreiheit, also das uneingeschränkte Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Zudem wurde festgelegt, dass Betriebe ab 50 Beschäftigten einen „Arbeiterausschuss“ einzusetzen hätten – die Betriebsräte entstanden.

Vor allem jedoch enthielt das Stinnes-Legien-Abkommen, das am 15. November 1918 unterzeichnet wurde, die Einführung des Achtstundentages – bei vollem Lohnausgleich. Wobei damals noch samstags gearbeitet wurde. Die Fünftagewoche setzte sich in der Bundesrepublik erst Mitte der 1970er Jahre durch. (pab)