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: Rattle und Rattle

Abschied und Anfang zugleich. Hier mal ganz wörtlich genommen. Seinen Abschied von den Berliner Philharmonikern hatte Sir Simon Rattle im Juni begangen, mit Mahlers Symphonie Nr. 6. Die kann man jetzt auf der jüngsten Veröffentlichung der Berliner Philharmoniker Recordings noch einmal nachhören oder, sofern man eben nicht beim Konzert selbst sein konnte, überhaupt zum ersten Mal hören.

Die sechste Symphonie von Mahler, die mit diesen charakteristischen martialischen Streicherschlägen beginnt, bevor sie, wie bei Mahler so oft, ganz andere Richtungen einschlägt, ist auf dieser CD-Box gepaart mit einer weiteren Einspielung von Mahlers Symphonie Nr. 6, dargeboten von den Berliner Philharmonikern unter Simon Rattle. Den Unterschied dieser beiden Aufnahmen markiert schon das fehlende „Sir“ im einen Fall: Denn die zweite Einspielung stammt aus dem November 1987, aus einer Zeit, als Rattle noch nicht in den Adelsstand erhoben worden war, und ist ein Mitschnitt des ersten Konzerts von Rattle mit dem Orchester, dessen Chef er später, da allerdings schon mit dem Titel eines Knight Bachelor versehen, für 16 Jahre werden sollte.

Das passt als Paarung. Auch weil sich Rattle in der Zeit dazwischen ausgiebig, und nicht nur am Dirigentenpult der Berliner Philharmoniker, den Symphonien Mahlers widmen sollte. Man kann hier praktisch an den Extrempunkten hören, wie Rattles Mahlerverständnis mit der Zeit „gewachsen“ ist.

Auffällig ist der Unterschied im Klang. Die alte Aufnahme wirkt dünner, stärker verhallt. Im Jahr 2018 waren die Mikrofone anscheinend dichter an den Instrumenten aufgestellt. Auch die Musik wirkt insgesamt kräftiger, wuchtiger in den zackig-aufbrausenden Momenten, aber auch präziser, beweglicher und mit mehr Spannung, ganz gleich, ob hart oder zart. Im Gegensatz dazu scheint bei der 1987er Aufnahme der Umgang noch distanzierter, so als beschnuppere man sich gegenseitig. Deutlich beschleunigt hingegen die Reaktionsschnelle der Philharmoniker in diesem Sommer. Ob die Spieler da nun auch mit mehr Gefühl bei der Sache sind, ist ein wenig Einstellungssache. Die Musik spricht jedoch allemal direkter. Da sind sich zwei über die Jahre näher gekommen.

Tim Caspar Boehme

Gustav Mahler: „Symphonie Nr. 6“, Berliner Philharmoniker, Sir Simon Rattle (Berliner Philharmoniker Recordings)