Genscher und Gaumenfreuden

Die FDP macht Wahlkampf in der Stadt und erntet durchaus Zuspruch bei den Wählern, allerdings nicht in erster Linie wegen ihres Programms, sondern wegen Kuchens und verrenteten Politikern. Das Elend der Liberalen ist strukturell bedingt

bremen taz ■ Tradition spielt bei der FDP eine große Rolle. Auch in Bremen wollen die Liberalen an glorreiche Zeiten anknüpfen, als sie bei Bundestagswahlen noch zweistellige Ergebnisse einfuhren. Daran denkt Magnus Buhlert gern zurück, der diesmal den Spitzenkandidaten der Bremer Liberalen gibt. Denn bei nationalen Wahlen hat die FDP noch etwas zu gewinnen, bei den jüngsten Bürgerschaftswahlen fiel sie zweimal durch, sieht man einmal von dem einen Mandat ab, dass der Bremerhavener Willy Wedler erringen konnte.

Buhlert ist sich für nichts zu schade. Auch im strömenden Regen steht er am Stand auf dem Hanseatenhof und verteilt Flugblätter mit seinem Konterfei. „Das ist ein Brot-und-Butter-Wahlkampf“, sagt der 38-Jährige, und zunächst bleibt unklar, was er meint.

Einem älteren Herrn geht es jedenfalls um die Wurst. „Ich wähle euch eh nicht“, ruft er, als Buhlert auf ihn zu geht. Der Liberale scheut die Diskussion trotzdem nicht mit dem älteren Herrn, der zweifelt, dass die FDP mit ihrem einfachen Steuerkonzept Erfolg hat. „Dann gibt es zwei Millionen Arbeitslose mehr, weil Steuerberater und Finanzbeamte auf der Straße stehen. Das haltet ihr nie durch“, sagt er und schwingt seinen Regenschirm. Der Mann kennt sich aus, lässt Buhlerts Argumente nicht gelten. Der sagt, dass Bürokratieabbau Kräfte in der Wirtschaft frei setze. „Niemals – bei den Arbeitslosen“, meint sein Gegenüber, wünscht viel Glück und schreitet gen Lloyd-Passage davon.

Mit enttäuschten Wählern muss Magnus Buhlert an diesem Tag mehrere Gespräche führen. Die FDP hat in den Großstädten ihre starke Stellung verloren, die sie in Bremen bei Bürgerschaftswahlen nach dem Krieg fast das Projekt 18 verwirklichen und noch bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl 12,8 Prozent der Zweitstimmen erringen ließen. Weite Teile des Bürgertums verabschiedeten sich: Mitte der 90er flog die FDP aus fast allen Länderparlamenten: Parteienforscher sprachen von der Dame ohne Unterleib, der die Mitglieder fehlten – einige nannten sie eine politische Sekte. Grund für den Niedergang war vor allem, dass der Partei große Teile der sozialliberalen Wähler abhanden kamen. Menschen, die Bürgerrechte vertraten, die nicht von Kameras überwacht oder mit Anti-Terror-Gesetzen überzogen werden wollten, liefen scharenweise zu den Grünen über. Diesen Verlust hat die FDP nie wieder wettmachen können, sie verkam immer mehr zur reinen Wirtschaftspartei.

Magnus Buhlert will 2005 trotzdem um Stimmen bei allen Bürgern werben. Doch den meisten Aufruhr am Wahlkampfstand gibt es als ein Bäcker (und FDP-Mitglied) aus seinem nah gelegenen Geschäft Butterkuchen für die Wahlkämpfer bringt. Ach ja: Brot-und-Butter-Wahlkampf. Und plötzlich stehen ein paar Rentner unter dem FDP-Schirm und greifen munter zu. Mit der Partei haben sie nichts am Hut, die Diskussion mit ihnen gestaltet sich für Magnus Buhlert schwierig. „Das gehört mit dazu“, sagt er und widmet sich einer anderen älteren Dame, die zielstrebig auf den Wahlstand zu kommt. Sie kennt Buhlert nicht, hat aber früher immer FDP gewählt, „wegen Genscher“. Der habe aufgepasst, dass die Partei in der Mitte bleibe. Der Möllemann habe ihr eine zu große Klappe gehabt. Und Westerwelle? Die 67-Jährige grinst und sagt: „Es gibt ja noch andere in der Partei.“ Es wird ihr nicht leicht fallen, FDP zu wählen – nur wegen der Tradition. ky