wortwechsel
: Wer nimmt es mit RWE, TUI, VW auf?

Angepasste Grüne, ernüchterte Naturschutzverbände – die Umweltzerstörung geht weiter. Dazu noch Abitur-Stress, Datenkraken und die nicht enden wollende Impfdebatte

Von den Grünen bedrohte Art: der Stint aus der Familie der Stintartigen Foto: dpa

Nötige Grünen-Schelte

„Umfassend neu denken“, taz vom 7. 5. 19

Ja, es braucht Grünen-Schelte! Hier einige Großprojekte, an denen die Grünen in Regierungsverantwortung beteiligt sind: Stuttgart 21 (wer sich erinnert: Hier wurde die Lebensgrundlage eines gefährdeten Käfers vernichtet). A 26 durch den Moorgürtel (Vogel-Naturschutzgebiet) im Hamburger Süden, Elbvertiefung (!) gefährdet akut die Fischfauna (zum Beispiel den Stint). Logistikflächen für den Hamburger Hafen in Bruchwäldern mit Fledermausbestand.

Die Hamburger SPD möchte gern Gras über die Sache wachsen lassen, dass sie maßgeblich dazu beigetragen hat, das Mühlenberger Loch (170 Hektar) für den A 380 (Großraumflugzeug) zuzuschütten . Die Ausgleichsflächen sind noch nicht geschaffen, aber das Flugzeug ist quasi schon Vergangenheit. Ich könnte mich den ganzen Tag lang übergeben.

Die Grünen sind so schwach und angepasst (von Ausnahmen abgesehen: Gudrun Schittek). Sie stellen sich nicht quer, sondern hoffen auf den Bürgermeisterposten und bürden der Wissenschaft die Lösung auf. Die Naturschutzverbände in Hamburg sind schon so ernüchtert, dass sie sich das Klagen auch 20-mal überlegen müssen und in einigen Fällen zurückgewichen sind.

Und wenn keine Straßen mehr gebaut werden sollen und Businesstypen weniger hin- und herfliegen und weniger Kreuzfahrten gemacht werden sollen und weniger Schlachtvieh gemästet werden soll …wer sagt es den Leuten und wer hat das Kreuz, es mit diesen Typen in Konzernen (RWE, Airbus, TUI, VW …) und der sie begleitenden Medien (taz, Talkrunden …) aufzunehmen?

Ich nehme nur die Politiker ernst, die sich aktuell gegen einen Flughafenausbau oder eine Autobahn oder ein Gewerbegebiet für Amazon querstellen und die auch klare Anforderungen an die Wirtschaft und die Gesellschaft stellen, Alternativen zu entwickeln. Und ich glaube nur das, was ich sehe! Deshalb ist die CO2-Bepreisung/Steuer keine Rettung. Zuerst muss Jair Bolsonaro daran gehindert werden, die CO2-Speicher im brasilianischen Regenwald abzuholzen. Rindfleisch aus Südamerika darf nicht eingeführt werden, ebenso Soja. Alles nichts Neues! Wo ist hier die internationale Gemeinschaft?

Artenschutz braucht Klimaschutz. Beides braucht eine starke Zivilgesellschaft, die global denkt und lokal Politiker und Wirtschaft konfrontiert. Jeannette Kasin, Hamburg

Zwei Männer, eine Frau

„Ein gigantisches Projekt“, taz vom 4./5. 5. 19

Liebe Redaktion, die Fragen gegen Ende des Interviews mit Katarina Barley verärgern mich. Ich finde sie sachlich nicht relevant und frage mich, ob man sie so einem Mann auch gestellt hätte. Zum bösen Gag der „heute-show“: „Verletzt Sie so was?“ – Die Frage der Verletzlichkeit wurde schon am Anfang des Textes gestellt. Warum noch mal? Sind Frauen verletzlicher? Und: Warum verstecken sich die Interviewer hinter der „heute-show“, wenn sie die Kandidatin für ihr Aussehen auf den Plakaten kritisieren wollen? Es folgt ein Nachbohren auf Boulevardpresseniveau durch ihr insistierendes Beharren in den nächsten beiden Fragen. Die erste Frage: „…eine sehr junge Katarina Barley …“ Nun muss sich Barley rechtfertigen, wie sie auf dem Plakat aussieht. Stimmt, das hat viel mit Europapolitik zu tun! Die zweite Frage: „Wurde das Foto bearbeitet?“Natürlich, will man da rufen, wird ein Wahlkampffoto bearbeitet, wo leben Sie denn?

Nächste Frage zur „rasanten Karriere“: „Wirkt etwas unstet, oder?“ Im Kontext der vorherigen Fragen wirkt das wie: Aha, karrieregeil und unstet (ein Wort, dem etwas Leichtlebiges anhaftet). Ich weiß wenig über Katarina Barley, aber vielleicht ist sie einfach sehr kompetent? Und ich erinnere mich, dass Barley von der SPD regelrecht überredet werden musste, als Spitzenkandidatin für diese Wahl anzutreten.

Zwei Männer, die eine Frau interviewen, klappt meinem Empfinden nach nicht mal bei der taz. Braucht sie eine Quote für solche Situationen? Oder täuscht mich mein Eindruck, dass diese Passage daneben ist? Ich glaube nicht. (Ich bin übrigens kein SPD-Wähler.) Oliver Ilan Schulz, München

Lernen statt pauken

„Mathe zu schwer, Protest muss her“, taz vom 7. 5. 19

Seit kurz nach der Jahrtausendwende gilt für die Curricula eigentlich aller Bundesländer die sogenannte Kompetenz­orien­tierung. Kurz gesagt heißt das, dass junge Menschen so (aus-)gebildet werden (sollen), dass sie in der realen Welt, nicht nur im Klassenzimmer, mannigfaltige zeitgemäße Probleme lösen können. Bei diesem Ansatz ist es fast zwingend, dass in Prüfungen Aufgaben gestellt werden, „die vorher kaum einer gesehen hat“; das unterscheidet diesen modernen Ansatz ja vom mehr oder weniger sturen Pauken alter (?) Zeiten, das vielleicht das Gedächtnis fordert und fördert, sonst aber nicht viel.

Wenn nun AbiturientInnen in Bayern und anderen Bundesländern derart überrascht sind, dass im Mathe-Abi was anderes kam, als sie dachten, lässt das eigentlich nur den Schluss zu, dass es mit der proklamierten Kompetenzorientierung in Wahrheit nicht weit her ist. Das würde auch erklären, warum die Großfilialen des Buchhandels zu den Prüfungszeiten (das betrifft keineswegs nur das Abitur!) überborden mit „Lernhilfen“ und Vorlagen, die die Prüfungen vergangener Jahre präsentieren, damit man sich für die aktuell anstehenden wappnen könne.

Wer aber glaubt, durchs heutige Leben zu kommen, indem er oder sie immer nur „dasselbe in Grün“ macht, der und die hat die Dynamik unserer Zeit (noch) nicht verstanden – trotz, zumindest im Fall der AbiturientInnen, dreizehn Jahren Schule! Jürgen Wrobel, Oberursel

Big Data und Gesundheit

„Gefährliches Wissen“, taz vom 2. 5. 19

Thilo Weicherts Kritik an 23andMe muss gleichermaßen für die Nako gelten. Die Nako, eine öffentlich finanzierte Biobank, hat von 200.000 Bundesbürger*innen Gesundheitsdaten und Bioproben erhoben und will sie 30 Jahre lang speichern, ständig aktualisieren und ergänzen und sie auch für von der Pharmaindustrie finanzierte gesundheitsbezogene Forschung zur Verfügung stellen. Die Betroffenen haben sich damit einverstanden erklären müssen, dass sie vor der Verwendung ihrer Daten und Proben für ein bestimmtes Forschungsvorhaben nicht gefragt werden, ob sie damit einverstanden sind.

Zwar hat der Deutsche Ethikrat in seiner Stellungnahme „Big Data und Gesundheit – Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung“ von Ende 2017 angemahnt, den Daten- und Probenspender*innen für Biobanken mittels geeigneter Kommunikationskanäle zu ermöglichen, ihre Einwilligung für bestimmte Projekte einzuschränken oder zu widerrufen. Die Nako verfolgt jedoch ihr Geschäftsmodell unbeirrt weiter. Wolfgang Linder, Bremen

Als BMW pleite war

„Sozialismus – ein westdeutscher Kampfbegriff“, taz vom 3. 5. 19

Angesichts der Gedankenspielereien über eine Kollektivierung von BMW ist ein Blick auf die Geschichte dieses Unternehmens angebracht. 1959 war BMW nahezu pleite und sollte an Mercedes-Benz verkauft werden. Als dies scheiterte, stieg Herbert Quandt bei BMW ein. Das dazu erforderliche Vermögen hatte seine Familie bis 1945 mit kriegswichtigen Produktionen verdient, unter anderem mit dem Einsatz von Zwangsarbeitern.

Zuvor sorgte der bayerische Staat mit Subventionen, Bürgschaften und Krediten dafür, dass BMW überhaupt noch bestehen konnte. So gewährte die Bayerische Landesanstalt für Aufbaufinanzierung dem Unternehmen bis 1968 günstige Darlehen von knapp 90 Millionen Mark. Zudem fädelte Verteidigungsminister Franz Josef Strauß 1960 ein lukratives Geschäft für BMW ein: Das Unternehmen erhielt den Auftrag zur Produktion von Triebwerken für das Kampfflugzeug Starfighter. Heiner Jüttner, Aachen