die woche in berlin
: die woche in berlin

Beim Theatertreffen war wieder die Bestenlese beim Bühnengeschehen zu sehen, in Brandenburg hat das Oberverwaltungsgericht pro Ökosystem Wald, aber deswegen nicht unbedingt für die Bäume entschieden, während in Berlin mit einer neuen Mietergenossenschaft ein weiterer Player auf dem Wohnungsmarkt mitmischen kann

Strichlisten und Fragen der Ästhetik

Das Theatertreffen weiter auf dem Weg zur Parität

Nach dem Festival ist vor dem Festival. Das Theatertreffen ist zu Ende, die Autorentheatertage am Deutschen Theater beginnen. Eine wunderbare Gastspielreihe, um die Vielfalt neuer Dramentexte kennenzulernen. Ich mach mir mal kurz eine Strichliste, was die Zahl der Regisseure und Regisseurinnen unter den Einladungen betrifft. Zehn Männer, drei Frauen. Denk auch zurück ans Festival FIND in der Schaubühne im April mit internatio­naler Dramatik, drei Frauen, drei Männer und vier Kollektive inszenierten da.

Sind solche Strichlisten ein sinnvolles Kriterium zur Beurteilung eines Festivals? Ja und nein. Ja, weil sie etwas aussagen über mangelnde Gendergerechtigkeit, über fehlende Chancen für Regisseurinnen, auch mal im subventionierten Theater scheitern zu dürfen. Nein, weil der Frauenanteil im Regiefach noch nichts über die Qualität aussagt oder auch nur darüber, ob aus „weiblicher Perspektive“ erzählt werde. Denn wenn uns all die Jahrzehnte von Genderbender und Dekonstruktion der Geschlechterrollen eines gezeigt haben, dann, dass es keine reinen, unvermischten und nicht aus Projektionen und Imaginationen übereinandergeschichteten Perspektiven gibt. Deshalb haben im jetzt wiederholten Nachdenken über eine Frauenquote im Regiefach einige KollegInnen zu Recht auf René Pollesch hingewiesen, der den Schauspielerinnen seiner Stücke immer großartige Bühnen gebaut hat, um durch all diese Überlagerungen im Rollenbild Frau zu klettern.

Alles keine neuen Überlegungen, aber wieder hervorgekramt angesichts dessen, dass das am Sonntag zu Ende gegangene Theatertreffen für die nächsten beiden Jahre eine Frauenquote im Regiefach beschlossen hat. Daran muss sich die KritikerInnen-Jury, die schon paritätisch besetzt war, halten. Zudem hat die Konferenz „Burning Issues“, auf der Theatermacherinnen sich trafen, das Festival abgeschlossen. Das ist alles sinnvoll.

Die Möglichkeit, während des Theatertreffens in Berlin zehn Inszenierungen zu sehen, die durch den deutschsprachigen Raum reisende KollegInnen aus mehreren hundert als großartig ausgesucht haben, schätze ich noch immer sehr. Schon weil ich sonst diese tollen Ensembles aus Basel, Dresden, München, Wien nicht zu sehen bekäme. Kenne aber auch als Zeichen der Verwöhnung den Gedanken, ach, schon wieder dieser Name in der Auswahl. Mit Frauenquote wird sich diese Liste auf jeden Fall erweitern, verändern. Dass allerdings zwei Jahre ausreichen sollen, um TheaterleiterInnen zu mehr Vertrauen in Regisseurinnen zu ermutigen, ist nicht glaubhaft.

Im Übrigen schreibt hier eine Autorin, die selbst in der taz lange Zeit, in den 1980er Jahren, die Erfahrung gemacht hat, dass man mit Texten über Künstlerinnen zwar ein Eckchen im Lokalteil bekam, aber fast nicht auf den überregionalen Seiten landen konnte. Die Angst, dass man von wegen Quote am Ende eine schlechte Künstlerin gefeaturet hätte, war groß. Gut, dass wenigstens das vorbei ist. Katrin Bettina Müller

Zwischen den Schützern der Wald

Einsatz von Insektizid „Karate Forst“ in Brandenburg gestoppt

Dieser Kampf ist irgendwie aus dem Ruder gelaufen. Der Brandenburger Landesforstbetrieb hatte das Insektizid „Karate Forst flüssig“ gegen die in diesem Jahr besonders präsente Raupe des Nonnenfalters in den Ring geschickt. Der Naturschutzbund Nabu hatte dagegen geklagt, in der ersten Runde am Verwaltungsgericht Potsdam verloren, das Oberverwaltungsgericht gab dem Eilantrag aber schließlich statt. Seit dieser Woche darf Karate Forst flüssig nicht mehr über Brandenburgs Wäldern versprüht werden. Ein wichtiges Urteil.

Für den Waldschutzlaien ist die Geschichte schwer zu fassen. Die Raupe des Nonnenfalters ist ein Kiefernschädling, der sich nach anhaltender Trockenheit rasant vermehrt hat und laut Landesforstbetrieb in diesem Jahr so zahlreich auftritt, dass er Brandenburgs Kiefernmonowälder gleich mehrfach kahlfressen könnte. Der Einsatz des Pflanzenschutzmittels Karate Forst sei daher Ultima Ratio. Auch für ausgewiesene Waldökologen ist zum Erhalt des CO2-Speichers der Einsatz chemischer Mittel gerechtfertigt – ein zerstörter Wald, auch wenn es nur ein schnöder Kiefernforst ist, bräuchte schließlich mindestens sieben Jahrzehnte, um halbwegs nachzuwachsen.

Demgegenüber steht die Einschätzung von Naturschutzverbänden wie Nabu oder Bund und einzelner Waldbesitzer, die den Einsatz so eines Totalinsektizids, das dann neben der schädlichen Raupe auch andere durchaus nützliche Tierchen plattmacht, nicht als unumgänglich, sondern als unzumutbar und unnötig für das Ökosystem Wald betrachten. Rund 90.000 Menschen haben eine entsprechende Onlinepetition unterzeichnet.

Und während das Verwaltungsgericht Potsdam den Nabu nicht einmal als antragsberechtigt sah, gab das Oberverwaltungsgericht nicht nur der Verbandsklage recht, sondern erteilte der Argumentation der für den Einsatz zuständigen Behörden auch eine klare Absage: Die erforderlichen naturschutzrechtlichen, insbesondere artenschutzrechtlichen Prüfungen habe es nicht gegeben. Das Nervengift Karate Forst vernichtet laut Nabu nicht nur den Schädling, sondern auch dessen natürliche Gegner.

Nun aber darf es nicht mehr ausgebracht werden, das Urteil ist unanfechtbar. Für beide Seiten ein Kampf mit herben Verlusten: Die Naturschützer werden die 5.000 Hektar Wald betrauern, die schon chemisch behandelt wurden, und die Forstbehörden die 2.700 Hektar, die laut ihrer Überzeugung nun ratzekahl gefressen werden.

Das Szenario bietet aber auch die Gelegenheit zu beobachten, ob die Naturschützer recht behalten, die darauf bauen, dass sich der Wald aus eigener Kraft erholt. Und weil die Nonne nur einer der Schädlinge ist, die auf der Welle des Klimawandels surfen, werden Waldverwalter und -bewahrer immer wieder vor ähnlichen Szenarien stehen. Insofern ist die Strenge des Urteils in Sachen Arten- und Naturschutz wegweisend.

Manuela Heim

Eine frische und gewinnende Idee

Neue Mietergenossenschaft fürs Vorkaufsrecht gegründet

Es werden derzeit immer mehr Häuser in Berlin auf den Markt geworfen. Besonders auch private Eigentümer wittern wohl, dass die Preisentwicklung nicht ewig nach oben gehen kann, und versuchen schnell noch zu Höchstpreisen zu verkaufen. Für die Bezirke, die es mit der Anwendung des Vorkaufsrechtes ernst meinen, zuallererst also Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln, ist die jüngste Entwicklung überfordernd. Mehr als ein Dutzend Mal erhielten sie allein im April Meldungen über erfolgte Verkäufe, die sie dann jeweils noch innerhalb von zwei Monaten abwenden können. Doch diese Masse können sie und die Wohnungsbaugesellschaften, die als Käufer in die Verträge eintreten sollen, nicht stemmen. Das Geld ist endlich, erst recht bei den immer wahnsinnigeren Preisen auf dem Immobilienmarkt.

Es ist vor allem der grüne Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg Florian Schmidt, der aus der strukturellen Überforderung eine Tugend macht, ihr mit kreativen Lösungsideen begegnet. Sein jüngster Einfall ist innerhalb von nur wenigen Wochen Wirklichkeit geworden und sorgt für Hoffnung in immer mehr Hausgemeinschaften. Die vor Wochenfrist neu gegründete Genossenschaft „Diese eG“ soll zukünftig als Käufer einspringen, wo Wohnungsbaugesellschaften abwinken. Schon jetzt gilt sie vielen als letzter Strohhalm vor dem nächsten profitgierigen Eigentümer.

Dabei ist das Konzept für die Mieter keineswegs komfortabel. Mieter, die Genossen werden wollen, müssen 500 Euro pro Quadratmeter bewohnter Fläche auf den Tisch legen. Viel Geld dafür, dass sie nur Mieter bleiben.

Um einen Kauf finanzieren zu können, sind darüber hinaus Zuschüsse und Darlehen vom Senat und Bankkredite notwendig. Das Erstaunliche: Eine Mehrheit der Mieter in den aktuell betroffenen Häusern ist genau dazu bereit, zu groß ist die Angst vor Verdrängung. So teuer es ist, verlockend ist der Gedanke allemal: Die Mieter werden als Genossenschaftsmitglieder Miteigentümer ihrer Häuser. Ein Verkauf ist praktisch ausgeschlossen, Mieterhöhungen sind auch nicht zu befürchten.

Und Schmidt treibt schon sein nächstes Projekt voran: Mithilfe eines Bodenfonds, dem Community Land Trust, soll Grund und Boden dauerhaft der Spekulation entzogen werden. Der Trust könnte zukünftig jene Grundstücke übernehmen, auf denen die Häuser stehen, die von der neuen Genossenschaft gekauft werden, und sich an den Kosten beteiligen.

Die Ideen greifen ineinander und verfolgen ein Ziel: den Ausbau des nichtgewinnorientierten Sektors. Gewinner dabei sind die Mieter. Erik Peter

Besonders auch private Eigentümer wittern wohl, dass die Preis­entwicklung nicht ewig nach oben gehen kann

Erik Peter über Wohnungsmarkt und neue Mietergenossenschaft