die woche in berlin
: die woche in berlin

Die Geschichte wiederholt sich: Zum nun schon dritten Mal scheitert eine dubiose Briefkastenfirma vor Gericht damit, die links­radikale Kneipe Kadterschmiede aus dem Hausprojekt Rigaer Straße 94 zu klagen. Das Thema Mietendeckel bewegt die Gemüter, und die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ übergibt ihre Unterschriften. Und die Volksbühne bekommt mit René Pollesch einen altbekannten neuen Chef.

Eine kapitalistische Realsatire

Kadterschmiede bleibt – trotz dreister Briefkastenfirma

Vor etwa einem Jahr hat sich der Autor an dieser Stelle Gedanken darüber gemacht, wie die Steigerung der von Marx aufgestellten Behauptung lautet, wonach sich alle weltgeschichtlichen Tatsachen stets zweimal ereignen – das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.

Die Farce war bereits damals eingetreten: Die britische Briefkastenfirma Lafone Investments Limited hatte im Mai 2018 zum zweiten mal erfolglos versucht, die linksradikale Kneipe Kadterschmiede aus dem Hausprojekt Rigaer Straße 94 zu klagen. Sie war, wie schon im Februar 2017, auf ganzer Linie gescheitert. Nicht etwa, weil die Linken Mietverträge für die Räumlichkeit vorzeigen konnten oder regelmäßig Miete zahlen würden, nein, an ihrer eigenen Struktur.

Die Briefkastenfirma konnte nicht nachvollziehbar machen, dass sie einen legitimierten Geschäftsführer besitzt, ihr Anwalt konnte nicht beweisen, dass er ordnungsgemäß beauftragt sei. Es war eine peinliche Vorstellung. Gegen ihre Niederlage damals hatte Lafone keine Berufung eingelegt. Im Text hieß es demzufolge, die „Monster-Farce“ bzw. „kapitalistische Realsatire“ bliebe den Beteiligten und dem Gericht „nun erspart“.

Welch ein Irrtum. Am Donnerstag trafen sich alle Beteiligten zur dritten Aufführung. Wieder wollte Lafone einen Räumungstitel, wieder stand sich das windige Verschleierungskonstrukt selbst im Wege. Keine der Forderungen aus dem vorausgegangenen Urteilen hatte man erfüllt. Der Richter war genervt, die Klage wurde als unzulässig abgewiesen.

Schon nach dem letzten Prozess war es dem Gericht nicht möglich gewesen, einen Briefkasten der Briefkastenfirma ausfindig zu machen, um ihr die Prozesskosten abzuverlangen. Stattdessen versuchte man – immerhin erfolglos – den Kadterschmiede-Verein in Haftung zu nehmen. Welch ein Irrsinn: Junge Leute, die einen Kulturraum betreiben, sollten für eine halbseidene „Firma“, die sich aller Kontrollen entzieht, in Haftung genommen werden.

Es ist ein Skandal, dass das Firmenkonstrukt, das nur auf dem Papier und einzig zum Zweck der Verschleierung der wahren Eigentumsverhältnisse besteht, wiederholt die Gerichte belasten kann – und dann noch nicht mal dafür zahlt. Ein größerer Skandal ist, dass all das legal ist. Der Staat schützt selbst solche Eigentümer und ihre Anonymität. Das muss ein Ende haben. Erik Peter

Mietendeckel macht auch Druck auf R2G

Mietenstopp verpflichtet zugleich zu mehr Neubau

Der Mietendeckel, seit Januar im Gespräch und in dieser Woche Streitthema Nummer eins in Berlin, gilt bislang als Belastung oder – je nach Sichtweise – berechtigte Gängelung von Vermietern. Eine Sache gerät dabei in den Hintergrund: Das Vorhaben eines Mietenstopps bedeutet, falls der Senat die Eckpunkte dafür tatsächlich am kommenden Dienstag beschließt, für die rot-rot-grüne Koalition zugleich eine große Verpflichtung – nämlich in weit größerem Stil zu bauen als bisher.

Denn die Begründung für den Mietendeckel war stets: Man müsse für mehr Wohnungen sorgen, um dem Mietenanstieg beizukommen, komme aber mit dem Bauen nicht in ausreichendem Maße nach. Also müsse man die Preise einfrieren, um einige Jahre Zeit zum Aufholen zu haben, damit sich die Preisspirale nicht noch stärker dreht. Fünf Jahre lang Mieterhöhungen zu verbieten galt und gilt weithin als hinnehmbar, zumal schon bislang nur alle drei Jahre eine Erhöhung um höchstens 15 Prozent erlaubt ist. Das konnte man als eine Art Akt der Zwangssolidarität verkaufen, die für ein besseres Miteinander sorgen soll.

Damit hat sich die Koalition aber selbst unter Druck gesetzt. Schon an die bisherigen Bauziele, die im Koalitionsvertrag von SPD, Linkspartei und Grünen vereinbart sind, kommt der Senat nicht heran. Da stellt sich naturgemäß die Frage, wieso die Landesregierung in Person der zuständigen Senatorin Katrin Lompscher künftig in der Lage – und willens – sein sollte, das zu ändern. Zumal es genug Stimmen gibt, die Lompscher und ihrer Linkspartei vorhalten, an Neubau gar nicht wirklich interessiert zu sein, eher im Gegenteil daran, ihre Wählerschaft nicht durch Baukräne in der Nachbarschaft zu vergrätzen.

Diese Kopplung beim Mietendeckel – einfrieren einerseits, bauen andererseits – war und ist aber der entscheidende Unterschied zum parallelen Volksbegehren, das alle Unternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin enteignen lassen will. Denn dieser Weg sieht kein Junktim mit Neubau vor, sondern einen reinen Eigentumswechsel bei bestehenden Wohnungen.

Die Unterstützung für das Volksbegehren scheint unterdessen etwas abzuflauen. Noch im Januar hielten es in einer Umfrage 55 Prozent aller Berliner – inklusive eines Drittels der Anhänger von CDU und FDP –, für richtig, Großvermieter zu enteignen. Das ließ erwarten, dass das Volksbegehren nicht bloß keine Mühe haben würde, die in der ersten Stufe nötigen 20.000 Unterstützungsunterschriften zusammenzubekommen, um in die nächste Stufe zu gelangen.

Nein, es schien auch darauf hinauszulaufen, dass das Enteignungsprojekt den bisherigen Unterschriftenrekord brechen würde. Den hatte im Juni 2016 das Fahrrad-Volksbegehren aufgestellt mit rund 105.000 binnen vier Wochen gesammelten Unterschriften, von denen letztlich fast 90.000 gültig waren. Tatsächlich aber hat die Enteignungsinitiative am Freitag mit rund 77.000 weniger Unterschriften zur Prüfung bei der Senatsverwaltung für Inneres eingereicht – was angesichts der intensiven, teils auch überregionalen Berichterstattung über die Deutsche Wohnen, über zu hohe Mieten und Enteignung überrascht. Stefan Alberti

das war’s

Eine Restaurierung des Biotops Ost

René Pollesch wird Intendant am Rosa-Luxemburg-Platz

Die Spektakelmaschine Volksbühne, sie läuft und läuft und läuft, selbst zwei Jahre nach dem unfreiwilligen Abschied von Langzeitintendant Frank Castorf. Das liegt auch daran, dass sie in bewährter Manier gefüttert wird, und dass alle weiteren irgendwie Beteiligten die klassischen Reflexe zeigen.

Aber von vorn. Am Mittwoch stellte Kultursenator Klaus Lederer (Linkspartei) den künftigen Intendanten der Bühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Ostberlin (das Ost ist wichtig, dazu noch später) vor: René Pollesch. Er ist ein Kind des Hauses: Seine Inszenierungen Anfang der 2000er Jahre an der Nebenbühne Prater machten Furore und ihn sogar international bekannt. Mit seinen kurzen, wortlastigen, oft bissigen, immer selbst verfassten und bisweilen sogar unterhaltsamen Stücken wurde er zu einem Publikumsliebling der Volksbühne und arbeitete dort bis zu Castorfs Abgang regelmäßig.

Man könnte also meinen, der Kultursenator geht mit Polleschs Ernennung ab der Saison 2020/21 auf Nummer sicher. Schließlich wurde der ursprüngliche Nachfolger von Castorf, Chris Dercon, von den Fans der Bühne (und von Lederer selbst) von Anfang an misstrauisch beäugt – vorsichtig formuliert. Mit namhaften Gastspielen und -räumen wollte Dercon das Portfolio des Theaters erweitern. Er scheiterte damit auf ganzer Bühne. Zwischenzeitlich besetzte eine Performancegruppe aus Protest gegen Dercon das Haus. Im April 2018, nur wenige Monate nach offiziellem Start als Intendant, schmiss Dercon hin oder Lederer ihn raus – beide Interpretationen stimmen.

Entsprechend jubelten viele Fans der Volksbühne, als die Personalie Pollesch bekannt wurde. Endlich wieder verlässlich Theater schön neben der Spur, politisch aufgeladen, mit Ausstrahlung weit über Berlin hinaus – so ihre Hoffnung.

All jene hingegen, denen der Castorf-Hype zuletzt zu dicke geworden war, hauen nun fest drauf: Lederer, so der Tenor, wolle das (Räuber-)Rad der Zeit zurückdrehen, mit Pollesch, der am Mittwoch auch gleich angekündigt hat, mit den Schauspielern Martin Wuttke, Kathrin Angerer und Fabian Hinrichs viele der Stars der Castorf-Ära ins Ensemble zurückzuholen. Restaurierung des Biotops Ost, als dessen fester Bestandteil die Volksbühne galt, statt Aufbruch in neue Theaterwelten.

Tatsächlich muss sich Lederer fragen lassen, ob er nicht auch eine Frau in diese relevante Position hätte befördern können. Da haben die Berliner Staatsbühnen noch ein bisschen Nachholbedarf.

Aber ob mit Pollesch Osten reloaded das Programm am Rosa-Luxemburg-Platz sein wird – das wird sich erst noch zeigen müssen. Das klingt erst mal banal, gilt aber im Besonderen für die Volksbühne. Hier scheint ja jeder alles vorab und besser und überhaupt zu wissen.

Auch Pollesch wird dafür sorgen müssen, dass der Laden läuft – wie auch immer. Und bisher kann man ihm nicht nachsagen, dass er bei seiner Arbeit gelangweilt hätte. Bert Schulz

Lederer muss sich fragen lassen, ob er nicht auch eine Frau in diese relevante Position hätte befördern können

Bert Schulzüber die Ernennung von René Pollesch zum neuen Intendanten der Volksbühne