Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Ich hätte ja „Das Volk“ als Friedensnobelpreisträger gesehen. Immerhin hat es gezeigt, dass ein unhaltbares System gestürzt werden kann – friedlich. Gerade jetzt, wo das Volk von Teheran mit Todesurteilen bedroht wird, wäre das eine kluge Erinnerung und Ermutigung gewesen. Aber das Osloer Komitee kennt den Helden, den es unbedingt braucht, eben nur im Singular. An das plurale Volk erinnert die Ausstellung „Szenen und Spuren eines Falls. Die Berliner Mauer im Fokus der Photographen“, die Matthias Harder für die Stiftung Brandenburger Tor kuratiert hat. Es handelt sich nicht um eine simple Erinnerungsfeier des Mauerfalls, der mit der Grenzöffnung am 9. November 1989 begann. Es geht um eine bemerkenswerte Fotoausstellung – dank der breiten Auswahl von 21 Fotografen und deren ganz unterschiedliche Ausrichtung zwischen journalistischer Bildberichterstattung und klassischer Architekturfotografie. Im Kontext der sämtlich beachtlichen Bilder tritt das je besondere Vermögen der Fotografen, das Ereignis sowohl zu registrieren wie gleichzeitig als ganz individuelles Bild zu entwerfen, deutlich hervor. Sibylle Bergemanns Bilder rund um den Mauerfall sind tatsächlich, wie Harder im Katalog schreibt, so singulär wie ihre Modefotografie. Man ist wirklich verblüfft. Und Barbara Klemm, Fotojournalistin par excellence, hat natürlich Edzard Reuter erwischt, wie er unmittelbar nach der Maueröffnung den Potsdamer Platz ins Visier nimmt, dessen Entwicklung er maßgeblich mitbestimmen wird. Ganz anders, weltentrückt, sind die Nachtaufnahmen der zerstörten Mauer des Zeit-Magazin-, Geo- et al.-Fotojounalisten Wilfried Bauer. Völlig irre die Aufnahme von Nelly Rau-Häring, die CNN-Starreporter Peter Arnett zeigt, wie er über der Szenerie auf einem – mit einem Teppich belegten – Podest thront, neben ihm ein barockes Tischchen.

■ Bis 6. Dezember, Szenen und Spuren eines Falls, Stiftung Brandenburger Tor, Max-Liebermann-Haus, Pariser Platz 7, Mo, Mi–Fr 10–18, Sa/So 11–18 Uhr, Katalog (Nicolai Verlag) 14,95 Euro