heute in bremen
: „Wir sind alle in die Welt geworfen“

Foto: Herwig Prammer

Tatjana Gürbaca

ist Opernregisseurin und inszeniert diese Spielzeit Mozarts „Don Giovanni“ am Bremer Goethe Theater. 2013 wurde sie Opernregisseurin des Jahres.

Interview Mahé Crüsemann

taz: Wie ist ihre Beziehung zu Bremen, Frau Gürbaca?

Tatjana Gürbaca: Zum ersten Mal war ich in Bremen 2007. Seitdem habe ich fünf Produktionen am Haus machen dürfen und ich muss sagen: Ich liebe das Haus sehr.

Warum?

Man merkt, dass hier viele Leute arbeiten, die großen Spaß an dem haben, was sie tun und eigenständiges Denken hier sehr gefördert wird. Man spürt auch, dass es ein Vier-Sparten-Haus ist und sich die Sparten auch mischen dürfen. Die Sänger am Haus sind außerdem nicht nur fantastische Sänger, sondern auch tolle Darsteller, da macht es Spaß zusammenzuarbeiten.

Welche Rolle spielt es für Sie, im doch sehr stark männerdominierten Fach Opernregie erfolgreich zu sein? Wie haben Sie sich durchsetzen können?

Ich glaube, ich habe gar nicht viel darüber nachgedacht und es auch nie als sehr schwierig empfunden, als Frau Regie zu führen. Ich fände es schade, wenn sich junge angehende Regisseurinnen entmutigen lassen würden, nur weil sie Frauen sind.

Es geht ja bei „Don Giovanni“ um einen Charmeur, der reihenweise Frauen verführt. Was ist da das aktuelle an dem Stück?

Es ist, glaube ich, zu kurz gedacht, wenn man Don Giovanni als reinen Casanova begreift. Ich würde ihn vielmehr in der Nähe von der Figur Dr. Faust verorten, die ja schon seit dem Mittelalter in der Literatur existiert.

Wo sehen Sie die Parallelen?

Don Giovanni ist, wie Dr. Faust, ein sehr extremer Charakter, er überschreitet Grenzen. Er ist ein Adliger, der praktisch alles darf und auch alles ausprobiert. So enthüllt er aber auch die Leere, die hinter allem steht. Die Figur wirft so die Fragen auf: Was passiert eigentlich in dieser Leere? Was passiert nach dem Tod?

Theater-Treffen mit Tatjana Gürbaca im Noon /Foyer, Kleines Haus,20 Uhr

Warum ist „Don Giovanni“ reizvoll zu inszenieren?

Das Stück behandelt ein urmenschliches Thema: Es geht um die Frage der menschlichen Existenz. Wir sind alle Kreaturen, die in die Welt geworfen sind. Don Giovanni ist wie ein Gott auf Erden. Durch sein Dasein und Handeln erzeugt er auch Reibungen bei den anderen Figuren. Er entlarvt so nach und nach ihre Lebenslügen und bricht alles auf. Das macht das Stück zeitlos.

Was haben Sie mit „Don Giovanni“ vor?

Es ist ein Nachtstück. Bei Mozart liegen ja Tragödie und Komödie oft ganz nah beieinander, und das wollen wir auch hier zeigen. Ich glaube, dass da ganz viel Kraft liegt. Mit den Spielern probieren wir gemeinsam viel aus und schauen, wie es ist, sich zwischen eben dem Tragischen und dem Komischen zu bewegen. Ich möchte die Wahrhaftigkeit der Figuren herausholen und dem Publikum zeigen.