Zu mitfühlend für die Polizei

Ein Polizeisprecher aus Itzehoe hat die Besetzer*innen des Schlachthofs Thomsen gelobt. Tierschützer*innen freut das sehr, seinen Arbeitgeber weniger. Die Polizei will nun Spielregeln festlegen

Von Esther Geißlinger

Die Schlachthof-Besetzung im schleswig-holsteinischen Kellinghusen hat ein Nachspiel für einen Sprecher der Polizei. Der Beamte hatte Sympathie für die 26 Aktivist*innen geäußert, die in der Nacht zu Montag das Gelände besetzt und den Schlachtbetrieb für mehrere Stunden gestört hatten. Dafür erhielt er den Preis einer Tierschutzorganisation – und einen Rüffel aus dem Innenministerium.

Die Gruppe kam morgens um vier Uhr auf das Gelände des Schlachthofs Thomsen, der zum Tönnies-Konzern gehört. Einige Aktivist*innen ketteten sich an die Rampen, über die die Schweine ins Schlachthaus getrieben werden, andere stiegen auf das Dach und entrollten Plakate. Der Betrieb konnte am Vormittag nicht aufgenommen werden, Lastwagen mit lebenden Schweinen stauten sich vor dem Eingang. Gegen Mittag begann die Polizei zu räumen.

Mit dabei war der Beamte Stefan Hinrichs, der als Sprecher der Polizei in der benachbarten Kreisstadt Itzehoe tätig ist. Er debattierte mit Unterstützer*innen der Gruppe, die von der Polizei verlangten, sie solle etwas für die Tiere in den Lastwagen tun. In einem Beitrag des NDR ist Hinrichs zu sehen, wie er mit den Protestierer*innen diskutiert. Dabei sagte er: „Ich bin auf Ihrer Seite, was die Tierhaltung hier in Deutschland angeht, aber aus der Nummer kommen wir nicht raus.“

Später sagt er ins Mikrofon, er „persönlich“ fände die Aktion „sehr gut“ und den Einsatz „mutig“. Gleichzeitig kritisierte er aber, dass die Gruppe Straftaten begangen habe. Gegen die Besetzer*innen wird wegen Hausfriedensbruch und Nötigung ermittelt.

Landwirt*innen protestierten gegen Hinrichs Äußerungen, Branchenzeitungen wie Top Agrar berichteten über den Vorfall. Aber es gab auch Lob und einen symbolischen „Preis der Aufrichtigkeit“ des Deutschen Tierschutzbüros: „Damit möchten wir Herrn Hinrichs aufrichtig für seine öffentliche Meinung und seinen Mut, diese auch auszusprechen, danken“, sagte Jan Pfeifer vom Tierschutzbüro.

Innenstaatssekretär Torsten Geerdts (CDU) und Landespolizeidirektor Michael Wilksen gaben eine Erklärung ab, in der sie Hinrichs Verhalten kritisierten: „Persönliche Sympathiebekundungen für Initiatoren und Teilnehmer von Protestkundgebungen haben zu unterbleiben. Wir erwarten eine politische Neutralität der Pressesprecher.“

Dürfen Sprecher*innen sich privat äußern oder nicht? Jein, heißt es beim Deutschen Journalistenverband (DJV). „Natürlich gilt das Recht auf freie Meinungsäußerung auch im Arbeitsverhältnis“, sagt Bettina Neitzel vom DJV Schleswig-Holstein. „Dennoch ist Schweigen manchmal Gold.“ Das Problem sei, so der DJV-Landesvorsitzende Arnold Petersen, dass die Äußerung eines Sprechers nicht als Privatmeinung wahrgenommen werde.

Das Innenministerium wird ein Treffen aller Polizeisprecher*innen veranstalten, um über die Spielregeln zu sprechen. „Es wird sich nicht wiederholen, dass Pressesprecher unserer Landespolizei nicht zwischen offiziellem Auftrag und persönlicher Meinung unterscheiden können“, sagte CDU-Politiker Geerdts.