Einen Spritzer Limone fürs Ego

DELIKAT Zu Hause leben sie ohne Wasseranschluss, aber ihre Träume bauen peruanische Jungköche auf Ährenfisch an Avocado und Käse-Nussecken

■ Die Basis: 200 Gramm gemischtes Fischfilet mit festem Fleisch wie zum Beispiel Barsch oder Barbe.

■ Die Handarbeit: Der Fisch wird in Würfel geschnitten, mit Salz gewürzt und mit frisch gepresstem Limettensaft beträufelt. Die marinierten Würfel kommen in eine Steingut- oder Glasschale, dazu in Scheiben geschnittene rote Zwiebeln sowie etwas Aji, jene Chilischoten, die es in Peru in unendlich vielen Farben und mannigfaltigen Schärfegraden gibt.

■ Der Höhepunkt: Wenn der Fisch nach 15 Minuten ausreichend mariniert ist, wird er mit frisch gehacktem Koriander serviert. Dazu gibt es einige Scheiben heiße Süßkartoffel und einen frisch gekochten Maiskolben.

AUS LIMA KNUT HENKEL

Pachacútec, äußerster Norden Limas, ockerfarbene Sanddünen, einfache Behausungen, hier steigt er aus dem Kleinbus, die eigenen Messer in der Tasche, und gähnt. Es ist Montagmorgen, kurz vor acht, Daniel Sologuren, ein stämmiger Mann mit rundem Gesicht und Pürierstab im Leinenbeutel, ist schon eine Weile wach, hat die neunzigminütige Fahrt aus dem Zentrum Limas hinter sich. Gestern Nacht hat er noch in einem der exquisiten Restaurants Limas am Herd gestanden; heute wird er den Nachwuchs unterrichten.

„Ich habe ihn gezwungen mitzumachen“, sagt Rocío Heredia, die nach ihm aus dem Bus steigt. Sie ist die Leiterin der Kochschule, die die beiden gleich betreten, Gastón Acurio hat sie eingerichtet – und der ist hier so etwas wie ein Star, längst hat er Dependancen in San Francisco, Bogotá und Madrid eröffnet, längst hat die peruanische Küche dort kein schlechtes Standing mehr.

Sologuren, 32, ist einer seiner Köche – und Mentor. Er hat in Frankreich und Italien, aber auch bei Acurio gekocht und hofft derzeit noch auf einen Investor, der ihm das erste eigene Restaurant finanziert. Bis dahin berät Sologuren Gourmet-Restaurants und gibt seine Kreationen hin und wieder an den Nachwuchs weiter. „Die Schüler sind extrem motiviert“, sagt er an einem gut fünfzehn Meter langen Edelstahltresen stehend, an dem gekocht, arrangiert und dekoriert wird.

„Jeden Montag haben wir hier erfolgreiche Küchenchefs zu Gast. Die kochen zwei bis drei Gerichte vor“, erklärt Rocío Heredia. Praxisorientiert gehe es zu, die Schüler sollten nach zweieinhalb Jahren Ausbildung schließlich auch unterkommen. Ab und zu würden so Talente an bekannte Hotels und Restaurants vermittelt, doch die meisten Schüler träumten vom eigenen Restaurant. Nicht unbedingt in den In-Vierteln Limas, sondern in Ventanilla, Villa El Salvador oder Pachacútec, alles neue Viertel, die erst in den letzten Jahren entstanden sind.

Aus diesen Vierteln, die teilweise noch nicht über ein funktionierendes Wasser- und Abwassersystem verfügen, kommt das Gros der rund einhundert Schüler, die derzeit unterrichtet werden. Das Kochen gebe ihnen ein bisschen Hoffnung, sagt Sologuren, „es stärkt die Identität. Und das Selbstbewusstsein.“

Aji: obligatorische Chilischote und Seele

Mit wenigen Spritzern Limone mariniert er Garnelen. „Nicht mehr“, mahnt er die Schüler und schneidet schnell, sehr schnell, eine Avocado in Würfel.

Die wird später gemeinsam mit den Krustentieren in der Salatschüssel landen, neben der Blattsalate, Sprossen, Nüsse und Rohkost stehen. Wie auch Aji, so heißen die obligatorischen Chilischoten, die es in nahezu allen Farben und Schärfegraden in Peru gibt. „Aji ist die Seele unserer Küche“, sagt Sologuren.

Wie er angefangen habe? Unter der Anleitung der Großmutter, natürlich.

Und: Sein „Tartar de Pejerrey“, dem auf Avocadoscheiben gebetteten, mit Limone, Zwiebeln und Aji gewürzten Stücken vom Ährenfisch, schmilzt förmlich auf der Zunge. Pejerrey, Carajito, Perico oder Bonito seien seine Favoriten aus dem Meer.

„Wir kochen mit peruanischen Zutaten, verwenden traditionelle Rezepte und internationale Techniken“, sagt Sologuren. Fusión oder Cocina novoandina nennt man das in Lima, ein Stil, der sich der Vielfalt auf Limas Märkten bedient, die täglich mit frischen Produkten aus dem Regenwald, der Andenregion und von der Küste versorgt werden.

Gerade hat der Koch auf dem Püree aus Olluco, einer kartoffelähnlichen Knollenfrucht – eben aus den Anden –, den Carajito gelegt, frittierten Fisch, über den er jetzt Koriander streut und ein wenig Sauce gießt.

Seine Ideen sammelt und entwickelt Daniel Sologuren regelmäßig auf Limas Großmarkt La Parada. Dort ist er oft unterwegs, und dort unterwegs zu sein empfiehlt er auch seinen Schülern. „Nicht nur um einzukaufen, sondern auch um sich inspirieren zu lassen“, sagt Sologuren. „Mit den Marktfrauen kann man auch schon mal ein Rezept austauschen.“ Und er sagt: „Die peruanische Küche bietet ökonomische Perspektiven, Wir müssen nur anfangen, die Jugend besser auszubilden.“

Noch die Teigquadrate, dann zurück ins Zentrum

Ein Ableger der Kochschule wird bald im Süden des Landes, in Arequipa, eröffnen – und hier im Norden, in Pachacútec, sollen in Zukunft auch Kellner ausgebildet werden.

Zusätzliche und halbwegs finanzierbare Perspektiven, denn anders als in anderen Kochschulen sind die Kosten für die zweieinhalbjährige Ausbildung moderat und Jugendliche aus der Nachbarschaft ausdrücklich erwünscht, sagt Rocío Heredia.

Die Schulleiterin schaut, wie weit Sologuren ist. Der verteilt eine cremige Füllung aus Nüssen, Käse, Gemüse und Aji auf kleinen Quadraten aus Teig, setzt die Teigdeckel auf die Ravioles a lo peruano und verschließt sie.

Den Nachtisch – ein Tartar aus Früchten vom Amazonas, mit Vanilleschaum – hat er bereits kalt gestellt, damit es bald zurück in Limas Zentrum gehen kann.

Denn mittlerweile ist es später Nachmittag geworden. Und Sologuren? Sieht etwas müde aus.