Schizophrene Forschungsstätte

WISSENSCHAFT Das neu gegründete Institut KIT soll internationale Spitzenforschung leisten. Der eine Teil soll künftig militärisch forschen dürfen – der andere jedoch nicht

Die Trennung hat früher auch schon nicht geklappt

AUS KARLSRUHE INGO ARZT

Bald wird dieser Name allen locker von der Zunge rollen: „Karlsruher Institut für Technologie“, kurz KIT. Seit dem 1. Oktober ist eine Fusion vollzogen, die „deutschlandweit einmalig“ sei, wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) jubelte. Mit der Universität Karlsruhe und dem Forschungszentrum Karlsruhe (FZK) haben sich eine Bildungseinrichtung eines Bundeslandes und ein Helmholtz-Institut des Bundes zusammengeschlossen.

Bisher wurde in Deutschland immer wieder die Trennung zwischen den Forschungseinrichtungen und den Universitäten bemängelt. Mit der Idee, den Graben aufzuheben, gewannen die beiden nun fusionierten Institute vor drei Jahren die Exzellenzinitiative des Bundes. Als Vorbild dient das weltberühmte Massachusetts Institute of Technology in Boston – nicht nur vom Namen her. „Sagen sie doch einfach Karlsruhe“, heißt es am Ende des Werbespots des KIT. Das Problem: Künftig darf die eine Hälfte des Instituts militärisch forschen, die andere nicht.

Das Forschungszentrum Karlsruhe wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zur rein zivilen Nutzung der Kernenergie gegründet. Deshalb stand in den Statuten des FZK ausdrücklich eine Klausel, nach der nur zu friedlichen Zwecken geforscht werden dürfe. Auch jetzt heißt es, dass das KIT unter anderem ein führendes Energieforschungsinstitut in Europa werden soll. Kritiker wie Dietrich Schulze von der Initiative gegen Militärforschung befürchten nun jedoch, dass man sich das MIT auch in Sachen Rüstungsforschung zum Vorbild macht.

Dabei haben erst im Januar 63 Prozent der Studierenden gefordert, dass das alte Statut auch künftig für die Institute der Universität zu gelten haben, die nun im KIT aufgehen. Und auch Forscher des FZK sprachen sich dafür aus, ebenso die Gewerkschaften Ver.di und GEW. Doch im Landtag fanden die Oppositionsparteien SPD und Grüne keine Mehrheit. Die Argumentation der Regierungsparteien CDU und FDP: Erstens widerspreche es dem grundgesetzlich verbrieften Recht auf Freiheit von Forschung und Lehre an Universitäten, wenn Militärforschung ausgeschlossen wird. Zweitens sei die Bundeswehr ebenfalls per grundgesetzlicher Definition eine friedliche Verteidigungsarmee. Dieser Argumentation schloss sich auch der baden-württembergische Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) an, der die Zivilklausel gern für das gesamte KIT kippen wollte. Am Ende verabschiedete der Landtag ein Gesetz, in dem es nun heißt: „Zur Wahrnehmung der Großforschungsaufgabe betreibt das KIT im Interesse der Allgemeinheit Forschung und Entwicklung zu friedlichen Zwecken […].

Am KIT selbst verstehen sie die ganze Aufregung deshalb auch nicht; es sei doch alles beim Alten geblieben, sagt die Pressesprecherin. Die alte Zivilklausel des Forschungszentrums, das jetzt „Campus Nord“ heißt, sei erhalten geblieben. Die Universität, jetzt „Campus Süd“, forsche genauso wie früher. Ansonsten schweigt man jedoch beim KIT: Die beiden Präsidenten Horst Hippler und Eberhard Umbach haben sich bislang noch gar nicht zu dem Thema Zivilklausel öffentlich geäußert. Schließlich sei man nicht Herr des Verfahrens, heißt es zur Begründung aus der Pressestelle. Zudem wird darauf hingewiesen, dass es Kooperationen zwischen beiden nun fusionierten Einrichtungen auch früher bereits gegeben habe, auch da habe die Trennung zwischen Zivil- und Militärforschung geklappt.

Schulze, der die Arbeit aus der Praxis kennt, sorgt sich vor allem darum, dass die Universität ein eigenes Kernforschungszentrum gründen will. Er sieht die Gefahr, dass damit irgendwann in Deutschland an Kernwaffen geforscht werden könnte – auch wenn sich die Bundesrepublik international in mehreren Vertragswerken eindeutig verpflichtet hat, dies zu unterlassen.

Zudem kritisiert er die Intransparenz der Forschung: So habe auch erst durch eine Anfrage der Linken im Bundestag die Öffentlichkeit davon erfahren, dass am Institut für Nachrichtentechnik an einem Kommunikationssystem für die Bundeswehr gearbeitet wird.