Die
dänische
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auf
Standardmaße

In Hamburg-Barmbek hat die dänische Modekette „Zizzi“ ihre erste deutsche Filiale eröffnet. Die Größe M ist dort das, was woanders XL wäre. Für die Kundinnen ist das entspannend

Beraten gerne: Claudia (links) und Marion in der Hamburger „Zizzi“-Filiale Fotos: Miguel Ferraz

Von Anastasia Trenkler

Die Puppen im Schaufenster tragen Größe M, aber beim genauen Hinschauen fällt auf: sie sind nicht so spindeldürr wie die in den anderen Läden des Shoppingcenters Hamburger Meile in Barmbek-Süd. Statt Größe 38 entspricht M hier den Größen 46 und 48. Das sind Größen, die vielen Frauen genau passen, die es in anderen Läden aber meist nicht gibt.

Mittags ist es ruhig hier, die beiden Verkäuferinnen Claudia und Marion nutzen die Zeit, um neu eingetroffene Teile zu sortieren. „Ganz vorne im Geschäft hängen die Trendfarben Koralle und Mint“, erklärt Marion, „und da hinten ist unsere Jeans-Abteilung, die ist besonders beliebt.“

Der Laden in der Hamburger Meile ist die erste deutsche Filiale von „Zizzi“, einer dänischen Modemarke für große Größen. Eröffnung war vor einem halben Jahr. „Das Geschäft läuft gut“, sagt Marion und zupft eine schwarze Bluse zurecht. „Wir haben sogar schon einige Stammkundinnen.“

Stilistisch unterscheidet sich „Zizzis“ Angebot kaum von dem anderer Läden: Skinny-Jeans, Lederjacken und Blusen mit floralen Aufdrucken hängen auf den Stangen. An den Wänden sind Werbeplakate, die schöne Frauen in den Kleidern der aktuellen Kollektion zeigen.

Im hinteren Teil des Geschäfts befinden sich die Garderoben. Daneben ist eine Größentabelle platziert: „S“ entspricht den Größen 42 bis 44, „XL“ reicht von 54 bis 56. „Wer bei uns ein Top der Größe M trägt, hat in anderen Geschäften kaum Auswahl“, sagt Marion. Viele Frauen, die bei „Zizzi“ einkaufen, würden sich freuen, hier in eine S oder M zu passen.

Die Neuordnung der Größen ist eine erfolgreiche Marketingstrategie: Kundinnen aller Altersklassen und sozialen Schichten kaufen bei „Zizzi“ ein. Die Preise sind ähnlich wie die der anderen Fast-Fashion-Ketten. Schließlich stammen auch die Kleidungsstücke von „Zizzi“ aus Produktionsländern wie Bangladesch und China – Länder, die zu großen Teilen für die Modeindustrie des globalen Westens ausgebeutet werden.

„Erst letztens waren zwei Freundinnen hier. Beide haben Sachen anprobiert, und dann kritisiert eine der Freundinnen tatsächlich die andere für ihre Figur, weil die nur in eine L-Hose passt. So etwas macht mich wirklich wütend.“

Marion, Verkäuferin bei „Zizzi“

„Zizzi“ ist ein reines Frauengeschäft. Das Sortiment in Hamburg beschränkt sich bisher auf einige Basic-Teile und die aktuelle Kollektion. Online gibt es auch Unterwäsche und Sportbekleidung. „Momentan eröffnet die Marke immer mehr Filialen“, sagt Marion. Vor allem in Skandinavien sei „Zizzi“ erfolgreich.

Vermutlich würden sie in der Hamburger Innenstadt noch mehr Umsatz machen, meint Marion. Dennoch glaubt sie, dass sich der Laden dauerhaft im Shopping-Center halten wird. Die anderen Kleiderläden stellten nämlich keine wirkliche Konkurrenz für „Zizzi“ dar. „Die werben zwar mit großen Größen, aber wenn Kundinnen dann nachfragen, haben solche Geschäfte meist keine passenden Teile im Sortiment“, erklärt Marion.Viele Kundinnen wären vom Einkaufen in konventionellen Läden frustriert.

Sie und ihre Kolleginnen hätten dagegen noch nie eine Frau mit dem Satz „Es tut uns leid, wir haben leider nichts in Ihrer Größe“ abweisen müssen. Marion ist nicht nur Verkäuferin, sondern auch Kundin bei „Zizzi“. Die Marke würde sie gut repräsentieren, sagt sie. Die 33-Jährige ist modebewusst, weiß genau, was gerade im Trend ist und welche Teile zusammenpassen. In der Beratung ist sie ehrlich, aber nie verletzend. „Für Fatshaming ist hier kein Platz“, sagt sie.

Eine junge Frau betritt das Geschäft. Die beiden Verkäuferinnen lächeln sie an. „Kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen“, fragt Claudia. Zuerst winkt die Kundin ab, entschließt sich nach einigen Minuten aber doch für eine Beratung. „Ich suche nach einer Jeans oder einer Leggings oder nach so etwas Ähnlichem“, sagt sie. Marion nickt und führt sie zielstrebig zu dem Kleiderständer mit den Ausverkäufen.

Dann fragt sie nach der Kleidergröße ihrer Kundin – die zögert ein wenig. Marion kommt ihr zuvor: „Darf ich schätzen? Ich tippe auf eine 48, vielleicht sogar 46.“ Die junge Frau sieht verwirrt aus. „Bei H&M passe ich da nie rein“, sagt sie. Marion lacht. „Na, die bei H&M sind ja auch nicht großzügig mit ihren Größen. Das ist bei uns anders.“ Die junge Frau verschwindet mit einem Paar Hosen in der Umkleidekabine. Marion schaut ihr zufrieden nach.

Die meisten Frauen wüssten gar nicht, was ihre wirkliche Größe ist. „Die meisten kaufen immer zu groß“, sagt Marion. Sie vermutet, dass sich die Kundinnen bei „Zizzi“ wohler fühlen als in anderen Geschäften. „Man fühlt sich hier als Frau von den Verkäuferinnen verstanden, weil auf den ersten Blick klar ist, dass wir mitreden können“, sagt sie. Vor Kurzem habe auch eine schlanke Verkäuferin bei „Zizzi“ gearbeitet. Die sei weniger gut bei der Kundschaft angekommen, meint Marion.

Ein Blick in den Laden: auch die Models in der Werbung tragen große Größen

Die junge Frau kehrt mit dem selben Paar Hosen zurück in den Laden und geht mit schnellen Schritten zur Kasse. Marions Empfehlung scheint ihr gefallen zu haben. Ob sie häufiger hier sei? „Ab und zu“, meint die Kundin, „der Laden ist eigentlich ganz gut und das Personal ist immer nett.“ Claudia lächelt. Im Gegensatz zu ihrer Kollegin hat sie erst kürzlich bei „Zizzi“ als Verkäuferin angefangen. „Die Stimmung ist aber immer nett. Wir haben Spaß“, sagt sie und zwinkert Marion zu.

Dennoch haben beide Frauen auch unangenehme Momente im Laden erlebt: „Erst letztens waren zwei Freundinnen hier. Beide haben Sachen anprobiert und am Ende auch beide ein Teil gekauft“, erzählt Marion, „und dann kritisiert eine der Freundinnen tatsächlich die andere für ihre Figur, weil die nur in eine L-Hose passt. So etwas macht mich wirklich wütend.“

Sie schüttelt den Kopf: „In so einem Moment denke ich nur: Who the fuck cares? Wir führen Größen bis 56!“, sagt Marion und zeigt den Mittelfinger. Beide Verkäuferinnen lachen auf: Natürlich sei es ihr Job, Kleidung zu verkaufen. Ein gutes Gefühl gibt ihnen aber etwas anderes: „Das schönste an dieser Arbeit ist der Moment, wenn du einer anderen Frau ihre Schönheit zeigen kannst“, sagt Marion.