wochenschnack
: Ganz schön dick

Menschen, die nicht dünn sind, erleben, dass ihr Körper abfällig kommentiert wird – oft von Leuten, die sich gar nicht kennen. Woher kommt dieser Hass?

Kämpfte schon in den 1980ern gegen den Schlankheitswahn: Schauspielerin Marianne Sägebrecht Foto: Bernd Settnik/dpa

Wer sich ärgert

Vermeintlich zu Dicke werden als fett beschimpft, vermeintlich Dumme werden als blöd beschimpft.

So ziemlich für jede „Eigenschaft“ findet sich ein Schimpfwort. Und wer wird beschimpft? Es ist nicht das dickste Mädchen der Klasse, es ist das Mädchen, was sich am meisten darüber ärgert.

Und das ist der Schlüssel – die anderen kann man eh nicht ändern. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Bietet man eine Reflexionsfläche oder nicht. Dafür ist es natürlich wichtig, dass man mit sich selber klar kommt. Wenn das der Fall ist, dann können einen die anderen auch nicht ärgern. Gastnutzer 42, taz.de

Selbstachtung geopfert

Zitat: „If making fun of fat people made them lose weight, there would be no fat kids in schools“.

Nein, niemand nimmt aufgrund boshafter Kommentare ab. Aber manch einer unterwirft sich leichter, wenn er sich ausgegrenzt fühlt.

Als ich nach der zweiten Klasse die Schule wechseln musste/durfte, gab es in der neuen Klasse einen Jungen, den alle nur „Schwabbel“ nannten. Warum, war mir sofort klar. Nicht ganz so rasch habe ich kapiert, wieso dieser Knabe sich ausgerechnet zum Handlanger jenes kleinen Fieslings gemacht hat, der ihm diesen Titel angehängt hatte. Und völlig unverständlich war mir, wieso alle die Beschimpfung wie einen einfachen Spitznamen behandelt haben.

Erst Jahre später ist mir aufgegangen, dass Jürgen, so hieß der arme Kerl, seine Selbstachtung im Tausch gegen etwas geopfert hat, was er mit Respekt verwechselt hat. Als Vasall des kleinen aber nicht ganz doofen Fieslings durfte er damit rechnen, dass die, die ihn „Schwabbel“ nannten, auch vor ihm Angst hatten. Wenigstens ein ganz kleines bisschen.

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Menschen zu blamieren, ist eine Machtstrategie von Leuten, die keine Selbstachtung haben. Besagter Fiesling war einer dieser Typen. Ein Kind, das zu Hause verprügelt und überhaupt schlecht behandelt wurde. Solche Zusammenhänge zu (er-)kennen, macht einen dicken Menschen auch nicht dünner. Aber vielleicht hilft es, etwas Selbstachtung zu retten.

Übergewicht ist nur ein körperliches Merkmal unter vielen. Keine Selbstachtung zu haben, ist sehr viel schlimmer. Wer nämlich keine Selbstachtung hat, kann dämliche Normen nur ganz schlecht hinterfragen. Er muss sich ihnen unterwerfen, weil er Angst haben muss vor der Einsamkeit. Davor, nicht beschützt zu werden und jederzeit/überall zum Opfer werden zu können. Dann schon lieber Täter sein, sagen sich manche.

Ist ja nicht so, dass Dicke per se bessere Menschen sind. Sie können anderen Unangepassten ganz schön auf die Ketten gehen mit jenen Normen, denen sie – Hurra! – zu entsprechen meinen. mowgli, taz.de