„Es ist erstmal irritierend“

KURZFÜHRUNG Jens Buttgereit erklärt das „Zimmers einer jungen Frau“ von Heinrich Vogeler

■ 44, ist Historiker und freier Mitarbeiter des Focke Museums. Dort bietet er regelmäßig Führungen an.

taz: Herr Buttgereit, erklären Sie uns Kunst-Muffeln: Heinrich Vogeler war nicht nur Maler?

Jens Buttgereit: Vogeler hat auch Schmuck, Besteck, Tapeten und Möbel entworfen. Und etwa das „Zimmer einer jungen Frau“.

Wie kam er darauf?

Es gab diese Phase, in der das Kunstgewerbe groß geschrieben wurde. Das Zimmer entstand 1906 als Teil des Bremer Beitrags für die dritte Deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung in Dresden.

Also war es nur ein Ausstellungsobjekt?

Es wurde tatsächlich benutzt. Ein Bremer hat es nach der Ausstellung gekauft und in sein Haus in St. Magnus einbauen lassen.

Welcher Idee folgte Vogelers Zuwendung zum Kunstgewerbe?

Er wollte den Alltag ästhetisch durchdringen und in der Qualität heben. Der Historismus war die vorherrschende Form der Gestaltung der Inneneinrichtung, davon wollte der Jugendstil sich absetzen.

Wie sieht das Zimmer aus?

Es ist erstmal irritierend, sehr gradlinig gestaltet. Dazu gehören unter anderem eine Wandvertäfelung, in die Drucke eingelassen wurden, ein Schreibtisch-Schrank, eine Waschkommode. Es unterscheidet sich von Vogelers „Güldenkammer“ im Bremer Rathaus, die eher behäbig wirkt. Das „Zimmer einer jungen Frau“ ist dagegen leicht, verspielt und eher süßlich.

Also ist es kitschig?

Das wäre verkürzt, zu plakativ. Damals konnte man das als eine Befreiung ansehen, als eine Gegenbewegung gegen die Folgen der Industrialisierung. Es war der Versuch, die Missstände in den Städten zu kompensieren, indem man ästhetisch eine ländliche Formsprache dagegen setzte. Interview: jpb

18 Uhr, Focke Museum, Haus Riensberg