Nach den Flammen kommen die Abgase

Aus juristischer Sicht ist der Brand im Montblanc-Tunnel jetzt abgeschlossen, aus ökologischer aber noch längst nicht

PARIS taz ■ In einem der schönsten Alpentäler, direkt vor dem Eingang zum Montblanc-Tunnel, herrschte gestern durchwachsene Stimmung: Die Anwohner sind wütend auf die 4.000 Schwerlaster, die laut und stinkend durch die Idylle brettern. Aber sie sind auch erleichtert – über die konsequenten Urteile, die ein Strafgericht am Vortag wegen des Brands im Montblanc-Tunnel am 24. März 1999 gesprochen hatte.

Wegen „fahrlässiger Tötung“ hatten die Richter zehn Einzelpersonen und drei Unternehmen verurteilt. Nach ihrer Ansicht sind sie dafür verantwortlich, dass bei dem Brand 39 Menschen gestorben sind. Ihre Strafen reichen von sechs Monaten Haft bis zu Geldstrafen.

Das Verfahren hat deutlich gemacht, dass an allen Ecken und Enden des Alpentunnels versagt wurde: In der Tunnelmitte verließ ein belgischer Fernfahrer seinen brennenden Volvo-Laster um 10.51 Uhr panikartig. An beiden Einfahrten – der italienischen wie der französischen – ließ das Sicherheitspersonal weitere Fahrzeuge in das längst brennende Inferno. Die juristische Aufarbeitung der Katastrophe ist damit nun weitgehend erledigt.

Aus ökologischer Sicht ist die Lage heute hingegen schlimmer als jemals zuvor. Das liegt auch daran, dass am 4. Juni diesen Jahres im Nachbartunnel Fréjus erneut ein Lkw brannte. Nun ist die zweite der drei wichtigsten Alpenverbindungen zwischen Frankreich und Italien wegen Reparaturen geschlossen. Die Umweltverbände befürchten, dass die Bauarbeiten lange dauern werden. Gestern Nachmittag rief ihr Verband ARSMB erneut zu einer Demonstration auf.

„Lkws in den Tälern – Gesundheit in Gefahr“ haben die Protestler auf ihre Transparente geschrieben. Sie drohen noch härteren Aktionen an, darunter etwa Blockaden am Eingang zum Montblanc-Tunnel.

Eine Lösung für die im Lkw-Verkehr erstickenden Alpentäler liegt seit Jahren in den Schubladen der Planer in Brüssel, Paris und Rom. Sie heißt: „Lyon–Turin“. Die transalpine Zugstrecke soll Frankreich mit Italien verbinden und langfristig in eine europäische Strecke von Barcelona bis Ljubljana eingegliedert werden. Gegenwärtig rollt mehr als zwei Drittel des franco-italienischen Güterverkehrs über die Straße. Mit „Lyon–Turin“ könnte zumindest ein Teil auf Bahn und Schiene verlagert werden.

Doch die Lkw-Lobby stemmt sich gegen das Projekt. Auch die Politiker in Rom und Paris blockieren. Vor allem fehlt es an Geld. Nach jeder neuen Lkw-Katastrophe in einem Tunnel beteuern beide Regierungen zwar, dass sie „Lyon–Turin“ brauchen, aber ihre nationalen Anteile an den Kosten, die wegen aufwändiger Tunnelarbeiten auf 13 Milliarden Euro geschätzt werden, haben bislang weder Frankreich noch Italien verbindlich zugesagt. DOROTHEA HAHN