Russland unter Mordverdacht

Bundesanwaltschaft erhebt Anklage wegen Mord in Berlin. Auftraggeber sei der russische Staat gewesen

Von Tobias Schulze

Die Bundesanwaltschaft ist sich offenbar sicher: Der russische Staat ist für einen Mord in Berlin verantwortlich. Am Donnerstag erhob die Behörde Anklage gegen Vadim K., der im August 2019 im Kleinen Tiergarten einen Mann erschossen haben soll. Das Opfer hatte einst unter anderem im Tschetschenienkrieg gegen Russland gekämpft und galt für die russischen Behörden als Terrorist. Der mutmaßliche Täter wurde noch am Tattag festgenommen. In der Anklage gegen ihn führt die Bundesanwaltschaft nach eigenen Angaben aus, dass „staatliche Stellen der Zentralregierung der Russischen Föderation dem Angeschuldigten den Auftrag“ erteilt hätten. Nähere Details nannte sie nicht.

Auf welche Indizien sie sich dabei stützt, führte die Behörde am Donnerstag ebenfalls nicht näher aus. Allerdings hatte sie sich dazu schon geäußert, als sie im Dezember 2019 die Ermittlungen zu dem Fall übernommen hatte. Demnach war der mutmaßliche Täter vor dem Mord mit einem Schengen­vi­sum in die EU eingereist. Dem Visumsantrag habe er eine Arbeitgeberbescheinigung beigefügt, die auf ein Unternehmen des russischen Verteidigungsministeriums zurückgehe. Sollte das zuständige Berliner Kammergericht die Anklage der Bundesanwaltschaft zulassen und dem mutmaßlichen Mörder den Prozess machen, wäre das wohl die nächste Belastung für die deutsch-russischen Beziehungen. Schon im Dezember hatte sich die Bundesregierung über mangelnde Kooperationsbereitschaft der russischen Regierung bei den Ermittlungen beschwert und zwei Mitarbeiter der russischen Botschaft ausgewiesen. Im Gegenzug wies die russische Regierung auch zwei Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Moskau aus.

Russlands Präsident Wladimir Putin bezeichnete den Getöteten während einer Pressekonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel als „Mörder“ und „Banditen“ und stritt eine Beteiligung des russischen Staats ab.

Nach der Anklageerhebung am Donnerstag sagte nun Außenminister Heiko Maas, dass sich die Bundesregierung „weitere Maßnahmen in diesem Fall“ ausdrücklich vorbehalte. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Manuel Sarrazin fordert solch eine Reaktion entschieden ein. „Wir können nicht zulassen, dass der Kreml in Mafiamanier Menschen in ganz Europa liquidieren lässt. Die Bundesregierung kann darauf nicht länger vor allem mit diplomatischer Zurückhaltung reagieren“, sagte er während eines Arbeitsbesuchs in Wien.