die woche in berlin
: die woche in berlin

Das Kandidatenkarussell dreht sich, denn die Linke sucht für Ex-Bausenatorin Katrin Lompscher eine Nachfolge. Die Generalstaatsanwaltschaft zieht die Ermittlungen zur rechten Terrorserie in Neukölln an sich und versetzt zwei ermittelnde Staatsanwälte wegen möglicher Befangenheit in andere Abteilungen. Und die Besitzer eines großen Kaufhauskonzerns haben gut lachen.

Die Linkspartei steht vor einer Richtungsfrage

Wer tritt die Nachfolge von Katrin Lompscher an?

Wer soll’s an Katrin Lompschers Stelle machen? Am Mittwochabend kamen die führenden Köpfe der Linkspartei ohne Antwort auf diese Frage aus ihrer Landesvorstandssitzung. Nächste Woche soll die Personalsuche für die Leitung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung weitergehen, hieß es bloß.

Das lässt Zeit, grundsätzlich zu überlegen: Mit wem will die Linkspartei wohin?

Am Sonntagabend war Lompscher als Senatorin zurückgetreten. Vorangegangen waren eine verspätete Rückzahlung von Aufsichtsratsbezügen an die Landeskasse und eine ausgebliebene Versteuerung. Lompscher selbst beteuert, nicht mit Vorsatz gehandelt zu haben. Ein Rücktritt war aus ihrer Sicht aber unumgänglich, weil „mein schwerer persönlicher Fehler mein weiteres Handeln als Senatorin dauerhaft überschatten würde“.

Ihre Nachfolge hängt entscheidend davon ab, welche Kriterien die Linkspartei für die Auswahl aufstellt. Soll es einen reibungslosen Übergang geben oder einen Neubeginn? Ums sichere Ins-Ziel-Bringen bisheriger Projekte oder um die Diskussion über weitergehende, aber auch strittigere?

Für jede Stellenbeschreibung gäbe es im Landesverband Menschen, die sie theoretisch ausfüllen könnten. Wer allein pragmatisch denkt, müsste Lompschers bisherigen Staatssekretär Sebastian Scheel an ihre Stelle setzen: Der ist in allen Themen drin, kennt die Verwaltung seit dreieinhalb Jahren und würde mutmaßlich im Stile Lompschers weitermachen, die ihn ja auch ausgewählt hat.

Wenn die Linkspartei jüngste Bestrebungen, bei Bauvorhaben die betroffenen Bezirke außen vor zu lassen, kontern will, könnte sie mit der Beförderung eines Bezirksbürgermeisters ein klares Zeichen setzen. In Frage käme dafür Sören Benn, Amtsinhaber in Pankow.

Ein Fanal wäre es, wenn die Partei die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Abgeordnetenhausfraktion benennen würde, Katalin Gennburg. Sie ist eine der auffälligsten Erscheinungen im Parlament, entschiedene Kämpferin für Enteignung – auch von Seegrundstücken – und große Kritikerin des offenbar noch von Lompscher mitverhandelten Deals mit Karstadt (siehe Text nebenan).

Mit Gennburg würde es zwar im rot-rot-grünen Senat mit Sicherheit nicht entspannter – aber Gemütlichkeit ist im letzten Jahr vor Abgeordnetenhaus- und Bundestagswahl sowieso nicht angesagt: Da geht es für jede Partei trotz aller koalitionären Nähe vor allem ums Abgrenzen und Stimmensammeln fürs eigene Wahlergebnis. Stefan Alberti

Die versäumte Aufklärung von Rot-Rot-Grün

Rechter Terror in Neukölln: Staatsanwälte versetzt

Es war keine gute Woche für Rot-Rot-Grün: Der überraschende Rücktritt von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher am Sonntagabend und der, wie sich inzwischen herausstellt, koalitionsintern stark umstrittene Karstadt-Deal vom Montag haben vor allem Grüne und Linke geschwächt (siehe nebenstehende Texte). Aber der richtig große Schlag, dessen Wirkung in Gänze noch gar nicht absehbar ist, kam am Mittwochabend: Per Pressemitteilung gab die Generalstaatsanwaltschaft bekannt, dass sie die Ermittlungen zur rechten Terrorserie in Neukölln an sich zieht und – dramatischer noch – zwei ermittelnde Staatsanwälte wegen möglicher Befangenheit in andere Abteilungen versetzt.

Seit Jahren verüben wahrscheinlich Neonazis immer wieder Angriffe auf Linke und jene, die sie dafür halten, in Neukölln. Fensterscheiben werden mit Hakenkreuzen beschmiert, Menschen in Mails bedroht, Briefkästen gesprengt, Autos angezündet. Und obwohl die Namen von Verdächtigen bekannt sind; obwohl die Polizei eine eigene Ermittlungsgruppe eingesetzt hat; obwohl Innensenator Andreas Geisel (SPD) wiederholt versprach, alles zur Aufklärung zu unternehmen: Bis heute wurde niemand deswegen inhaftiert, geschweige denn ein Vorfall aufgeklärt.

Wenn der Grund dafür tatsächlich zwei Staatsanwälte sind, die aufgrund ihrer rechten politischen Einstellung alle Aufklärungsversuche verschleppt und verhindert haben, wäre das ein riesiger Skandal, der das Vertrauen in Polizei und Justiz noch weiter minimieren würde. Die jüngste, auch in Deutschland intensiv geführte Debatte um Polizeigewalt und die Diskriminierung von Menschen anderer Hautfarbe würde einen weiteren Schub erhalten – die Debatte um einen NSU 2.0 ebenfalls.

Aber auch jetzt schon muss sich die Koalition vorwerfen lassen, dass ausgerechnet unter einer linken Regierung die Ermittlungen zu lasch und wenig nachhaltig verliefen – was für jeden Menschen sichtbar war. Vor allem Grüne und SPD müssen fortan mit dem Vorwurf leben, dass sie den von den Linken mehrfach geforderten Untersuchungsausschuss als unnötig abgelehnt haben. Denn erst eine Fachaufsichtsbeschwerde einer Opferanwältin und der daraufhin zufällige Fund belastender Passagen in Protokollen bewegten die Generalstaatsanwaltschaft zu diesem Schritt.

Bleibt die Frage, ob ein Untersuchungsausschuss jetzt noch Sinn ergibt. Wahrscheinlich nicht. Der Aufwand ist groß, die Zeit bis zum Start des Wahlkampf 2021 knapp. Aber wie im Fall Anis Amri sollte der Innensenator schnell einen unabhängigen Sonderermittler einsetzen. Seine Arbeit könnte dann die Grundlagen bilden für einen Untersuchungsausschuss nach der nächsten Wahl im Herbst 2021. Bert Schulz

Jetzt muss sich die Koalition vorwerfen lassen, dass ausgerechnet unter einer linken Regierung die Ermittlungen zu lasch und wenig nachhaltig verliefen

Bert Schulz über zwei versetzte Staatsanwälte, die zur rechten Terrorserie in Neukölln ermittelten, und die Auswirkungen

Karstadt kauft Berlin

Land will Kaufhäuser erhalten und macht Zugeständnisse

Es war ein Auftritt wie für die Geschichtsbücher. Am Montag traten die drei Bürgermeister des Landes – der Regierende Michael Müller (SPD) und seine beiden StellvertreterInnen Klaus Lederer (Linke) und Ramona Pop (Grüne) – im herrschaftlichen Großen Saal des Roten Rathauses vor die Presse, um feierlich einen „Letter of Intent“ zu den Karstadt-Warenhäusern zu unterzeichnen. Von den elf Kaufhäusern sollten wegen Sparplänen ursprünglich sechs geschlossen werden. Nach Verhandlungen des Senats mit dem Unternehmen wären nun nur noch zwei betroffen: die Filiale im Linden-Center in Hohenschönhausen und die in den Neuköllner Gropius-Passagen. Das wurde in der gemeinsamen Vereinbarung festgehalten.

Die feudale Inszenierung hat wohl jedem machthungrigen FDP- und CDU-Politiker Berlins Tränen in die Augen getrieben. Dieser Auftritt, gepaart mit der eigentlich guten Nachricht der Rettung von Arbeitsplätzen und Einkaufsmöglichkeiten, verdeckte anfänglich ganz gut deren dunkle Seite. Denn im Gegenzug will das Land drei große Bauprojekte des Konzerns in der Stadt unterstützen: den Ausbau der Häuser Hermannplatz, Alexanderplatz und Kurfürstendamm. Die Bezirke sollen dabei teilweise entmachtet werden. Insbesondere gegen die Pläne am Hermannplatz protestierten Ini­tiativen und auch der zuständige Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg schon länger.

Der Karstadt-Eigentümer Signa habe „die Krise schamlos gegen die Stadt und die Beschäftigten ausgenutzt“, sagte Katalin Gennburg, die Sprecherin für Stadtentwicklung der Linksfraktion, am Tag nach dem Deal der taz. Auch KritikerInnen aus den Reihen der Grünen wagten sich aus der Deckung. „Ich werde sicher meine Hand nicht heben für die Signa-Träume“, schrieb die Abgeordnete Katrin Schmidberger auf Twitter.

Tatsächlich handelt es sich um eine Politik nach Gutsherren-und-damen-Art, die man von Rot-Rot-Grün so nicht erwartet hätte. Und man darf zum einen gespannt sein, ob der Furor in den Reihen von Grünen und Linken dazu führt, dass die Absichtserklärung das wertlose Blatt Papier bleibt, das sie bisher ist. Schließlich hat das letzte Wort das Parlament.

Zum anderen bringt die angekündigte Entmachtung ausgerechnet Friedrichshain-Kreuzbergs Pep in zwei aktuelle Personaldiskussionen innerhalb von Grünen und Linken. So müsste die NachfolgerIn der am vergangenen Sonntag zurückgetretenen Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) das sehr wahrscheinlich umsetzen. Ein Aspekt, der die eventuelle Kurzzeitkarriere im SenatorInnensessel – in gut einem Jahr ist Abgeordnetenhauswahl – nicht gerade attraktiver macht.

Die Grüne Ramona Pop wiederum will Spitzenkandidatin ihrer Partei für diese Wahl werden. Dass sie den Karstadt-Deal mit eingefädelt hat, könnte doch noch eine Gegenkandidatin ermutigen, ebenfalls bei der parteiinternen Kür im November anzutreten. Bert Schulz