Ein Hauch Luft

Foto: Chieh Wei Lee/getty

Draußen die Hitze. Und wer die Fenster schließt, schafft es vielleicht, sie in Schach zu halten. Er verbarrikadiert sich in dieser Unmöglichkeit, die anders als früher nicht nur mehr Hitze ist. Heute ist Hitze immer auch Vorbote, und das Sirren in der heißen Luft ist das Stöhnen des Planeten. Zukunft, du Unbeherrschbare – weil wir unbeherrscht sind.

Aber ich schließe die Fenster nicht. Weil ein Lufthauch ins Zimmer weht, der den Vorhang sanft mitschwingen lässt. Tänzelnd bewegen sich die Falten, schälen sich auf, fallen sich rundend wieder herab. Und der Lufthauch streift über den schwitzenden Körper und ja, es ist Sehnsucht: Oh bleib. Oh komm wieder.

Nur, das entscheide nicht ich. Der Stoff ermattet, fällt herunter, bewegt sich nur zitternd der Schwanzfeder eines Rotschwanzes gleich. Das ist der Augenblick, der der Ewigkeit nahe kommt. Warten auf den Lufthauch, den Atem der Hitze, der sie erträglich macht.

Und dann bläht sich der Stoff doch wieder und der Vorhang füllt seine Backen, wird größer, größer, wird zu einem Ballon, der ins Zimmer drängt, langsam, nicht stürmisch, und sich dann entfaltet, sich aufstellt, den Hauch durchlässt, der in ganzer Sanftheit liebkosend mich berührt.

Waltraud Schwab