heute in hamburg
: „Ich will meinen Körper auf die Spitze treiben“

„Kontrol“: Performance zum Thema Körper, Leistungsgesellschaft und Körperkategorien, 19.30 Uhr, Kampnagel , Eintritt 15 Euro

Interview Leonie Theiding

taz: Frau Mai, Sie haben ein Jahr lang intensiv für Ihre Performance trainiert. Ist Ihr Körper „männlicher“ geworden?

Patricia Carolin Mai: Jedenfalls wurde mir erzählt, dass ich einen sehr „kantigen“ Körper bekommen habe. Kraft, Muskel und Ausdauer sind Zuschreibungen, die auf mich bezogen werden. Ich nehme auch selbst wahr, dass mein Körper über mehr Kraft verfügt als vorher. Diesen Prozess, an einen Leistungssportler*innen-Körper anzudocken, den wollte ich erreichen.

Also war es ein Ziel der Performance, Ihren Körper zu verändern?

Nicht ganz, das war das Ziel unseres Experiments zuvor. Zwölf Monate habe ich mich dieser Transformation gewidmet und meinen Körper zusammen mit einem Sportwissenschaftler trainiert. Ich habe auch meine Haare abgeschnitten. Für mich war es unglaublich zu erfahren, was diese Zuschreibungen von außen in mir auslösen.

Warum haben Sie das gemacht?

Innerhalb der Performance haben wir uns gefragt, was „Androgyn-Sein“ und das körperliche Ausbrechen aus den zwei Schubladen „männlich“ und „weiblich“ bedeutet. Auch eine Körperhaltung, wie etwa die Faust als Zeichen der 68er-Bewegung, haben wir uns angeschaut. Wir konnten erkennen, wie körperliche Figuren in Schubladen gedacht und erkannt werden. Außerhalb des Kontextes der 68er-Bewegung steht genau die gleiche Faust für etwas anderes. Das zeigt die Ambiguität der Körperbilder.

Wieso war Ihnen das Androgyne an Körpern so wichtig?

Als Jugendliche, die Leistungsschwimmerin war, wurde mir schon immer entgegengebracht, dass ich so einen männlichen Rücken hätte – das hat mich verwirrt, weil ich mich immer als Frau gelesen habe. Ich fand es enorm, was diese Aussagen mit mir gemacht haben. In meiner Performance wollte ich dieses Gefühl der Verwirrung erforschen: Was sind diese Normen, Bilder, Kategorien, mit denen wir konfrontiert werden? Immer im Hinblick auf Körper in Extremzuständen.

Foto: Baki

Patricia Carolin Mai

34, ist Tänzerin, Choreografin und Tanzver-mittlerin.

War Ihre Transformation nur körperlich?

Nein, wir haben uns auch mit Kleidung auseinandergesetzt, die so und so gelesen werden kann. Dafür haben wir uns die Zeit des Barocks angeschaut, in der männliche und weibliche Körper die gleichen Klamotten trugen, von Strumpfhosen bis zu Gehröcken. In dieser Epoche lief sehr viel ineinander, was jetzt kategorisch getrennt wird.

Sind Sie beim Training an Ihre persönliche Grenzen gestoßen?

Ich habe fest entschieden, dass ich dieses Projekt durchziehen will, dass ich das meiner Theorie über Körper in Extremzuständen schuldig bin – ich wollte meinen Körper auf die Spitze treiben. Und ich kann Ihnen sagen, dass ich niemals zuvor so hart trainiert habe, nicht als Leistungsschwimmerin und auch nicht als Tänzerin. Meine Schmerzgrenze habe ich so ausgereizt, dass ich mich jedes Mal gefragte habe: Schaff ich das noch mal? Genau diesen Moment zu erreichen, war ein enormes Gefühl – dann auf meinen Körper zu hören und zu merken: Ja, ich kann das noch mal. Mein Körper kann viel mehr aushalten, als ich mir hätte vorstellen können.