Alles sauber macht das Wasser

Sind die Messungen des Umweltressorts zur Luftverschmutzung korrekt? Das zweifelt ein Hemelinger an, der in einem gering belasteten Stadtteil wohnt. Auch der BUND übt Kritik. Denn an vielen Orten werden die Daten hochgerechnet.

Wie kann eine Messstation auf dem Friedhof stehen – zwischen Bäumen?

bremen taz ■ Sie fahren wieder, die großen Wagen, die nachts die Bremer Straßen wässern, um die Entwicklung von Feinstaub einzudämmen. Alle zwei Nächte sprüht ein Wagen von 22 bis 6 Uhr die Neuenlander Straße. Ob diese Maßnahme hilft, das weiß heute noch keiner. Erste Ergebnisse werden für den Herbst erwartet, heißt es im Ressort von Bau- und Umweltsenator Jens Eckhoff (CDU).

Ärger machen den Hemelingern nicht nur die Feinstaubmessungen, sondern das, was die Experten im Ressort „Screening“ nennen. Damit meinen sie die Erstellung einer Luftreinhaltekarte, die für die ganze Stadt anzeigen soll, wo und wie die Luftbelastung am größten ist. Dazu werden mit einer mobilen Mess-station neuralgische Punkte kontrolliert. Dazu wird in einem wissenschaftlich gestützten Verfahren hochgerechnet, wo die Belastungen am stärksten sind.

Außerdem werden Daten wie Bebauungsdichte, Verkehrsaufkommen und allgemeine Luftbelastungen durch Industrieabgase gesammelt. „Das System hat sich bewährt, die Messungen sind ausreichend“, sagt Holger Bruns, Sprecher des Umweltressorts. Das dauere wegen der Messungen des mobilen Wagens manchmal etwas länger, am Ende habe man aber „vernünftige Aussagen“.

Das sieht Peter Müller, Verkehrsreferent vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), anders. „Es muss umfassender gemessen werden“, fordert er. Hochrechnungen basierten immer nur auf Stichproben. „Da können kurzfristige Einflüsse wie das Wetter schon mal etwas verfälschen.“

Konkret vermutet das Wolfgang Helfst, Sprecher des Bauausschusses des Beirats Hemelingen. „Für Hemelingen haben die Hochrechnungen ergeben, dass hier alles sauber ist“, sagt Sozialdemokrat Helfst und kann sich einen ironischen Unterton nicht verkneifen. „Schildbürgerstreich“ nennt er die Mess-Aktion des Senats und bezeichnet Hemelingen als „Luftkurort“, der offenbar von den Abgasen der Industrie völlig unbehelligt bleibe. Helfst zweifelt die Daten an und fordert Klarheit vom Ressort.

„Verkehr ist Ursache für große Teile der Belastung. Wie kann es angehen, dass eine feste Mess-station auf dem Osterholzer Friedhof steht, auf dem sie nur von grünen Bäumen umgeben ist?“, fragt der Lokalpolitiker.

„Die Messungen auf dem Friedhof sind nötig, um die allgemeinen Belastungen zu ermitteln, die in der Luft sind“, sagt Ressort-Sprecher Bruns, der die guten Daten für Hemelingen bestätigt. Auch der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Joachim Schuster, und Peter Müller vom BUND halten die Messungen auf dem Friedhof für korrekt. Doch Müller sieht die Gefahr der Verharmlosung der Daten, gerade für Hemelingen, weil weitere Messstationen fehlten. Zwar seien in Hemelingen keine „Straßenschluchten“, wie an den Kernmesspunkten zum Beispiel am Dobben. Dennoch geht der Verkehrsreferent davon aus, dass die Belastung höher ist als vom Ressort veranschlagt.

Wolfgang Helfst sieht erstmal keine Perspektiven für Hemelingen. „Selbst wenn die Messwerte erhöht wären und wir das wüssten, würde ein Wasserwagen entsprechende Straßen benetzen und das Problem scheinbar lösen“, sagt er. Den Sinn der Wässerung zweifelt auch Peter Müller an: „Straßen waschen“ sei ein reines Experiment. Das einzig wirksame Mittel gegen Feinstaub sei, die Straßen zu sperren. Eine Maßnahme, die Politiker aus beiden großen Parteien nicht ergreifen wollen. SPD-Umweltexperte Schuster: „Das würden dann viele Menschen wohl doch nicht verstehen.“ ky