„Man muss sich einfach amüsieren“

FEIERWUT Christoph Schwarz betreibt auf Ibiza eine Escort-Agentur für zahlungskräftige Schwule und vermögende Frauen. Ein Gespräch über Sodom, Gomorra und die Bedürfnisse der Superreichen

■ Werdegang: Er schmiss mit 15 die Schule, jobbte als Eisverkäufer und ging nach Amerika, um dort eine Karriere wie Arnold Schwarzenegger hinzulegen. Er arbeitete als Model in London und New York. Kokste, dealte und saß dafür in den USA im Knast.

■ Unternehmer: Nach einem Job in einem Sexshop versuchte er sich als Betreiber eines Schwulenbordells auf Mallorca. Dann ging er nach Ibiza, wo er nun eine Callboy-Agentur (www.ibiza24.com) betreibt. Er lebt nur im Sommer, von April bis Oktober, auf Ibiza.

INTERVIEW EDITH KRESTA

sonntaz: Herr Schwarz, Sie haben gekokst, gedealt, waren in den USA im Knast und haben bei einer Escort-Agentur gearbeitet. Wie alt sind Sie jetzt?

Ich werde 40.

Midlifecrisis?

Nein, noch nicht.

Das Buch könnte ja ein Anzeichen dafür sein.

Ich habe das Buch geschrieben, weil mein bester Freund meinte, über mein wildes Leben müsste man ein Buch schreiben. Er hat mir einen Verleger vorgestellt. Der hat innerhalb von zwanzig Minuten einen Vertrag auf den Tisch gelegt. Anfangs sollte es mehr um mein Leben gehen, aber es ist immer klarer geworden, dass Ibiza ein starkes Thema ist. Und ich bin dort ja seit acht Jahren operativ unterwegs.

Im schwulen Ibiza?

Ja, Ibiza ist sehr, sehr schwul. Die offizielle Zahl liegt bei 50 Prozent, viele sind aber auch noch „in the Closet“, wie man sagt, sprich: nicht geoutet. Das sehe ich auch an meiner Agentur, also zwei Drittel der Männer, die einen Boy bestellen, sind verheiratet und haben Kinder.

Und machen gerade mit Familie Urlaub auf Ibiza?

Manchmal. Sie kommen aber auch allein oder mit Freunden und machen Partyurlaub auf Ibiza. Ich habe ja internationale Buchungen, das heißt, sehr viele ausländische Kunden, die auch im Winter buchen.

Sie arbeiten im Winter weiter auf Ibiza?

Nein, aber ich bin natürlich das ganze Jahr erreichbar und habe meine Kontakte. Meine Kunden sind extrem wohlhabend: Ein Junge kostet bei mir 5.000 Euro für 24 Stunden.

Und diesen Preis können Sie halten?

Für ganz reiche Leute ist der Preis überhaupt nicht relevant.

Auch für die Frauen nicht?

Interessanterweise noch weniger. Reiche Frauen zum Beispiel legen im Restaurant einfach die Kreditkarte ins Couvert und sehen nie auf die Rechnung. Nie. Reiche Männer, egal wie reich sie sind, gucken immer auf die Rechnung, sie zahlen jeden Betrag, egal wie hoch, aber sie gucken auf die Rechnung.

Was sind das dann für Frauen? Reiche, geschiedene?

Zu meinen Kundinnen gehören geschiedene Frauen, reiche Witwen oder Ehefrauen mit Kreditkarte des Mannes.

In Ihrem Buch spielen Frauen ja eine ziemlich untergeordnete Rolle.

Mein ganzes Marketing zielte auf die schwule Klientel. Das war mein Revier, denn auf Ibiza ist fast jeder Manager, jeder Besitzer von den teuren Clubs schwul. Aber mittlerweile ist es so, dass 20 Prozent meiner Kunden Frauen sind. Tendenz steigend.

Wie kann ich bei Ihnen buchen, wenn ich einen jungen Mann für 5.000 Euro haben will?

Na ja, auf Ibiza kennt man mich.

Über Telefon?

Ja, das geht über Telefon. Und ich habe auch Karten, die ich dort ausgebe.

Haben Sie eine Karte da?

Nein, aber ich lasse Ihnen sofort eine zukommen.

Woher kommen Ihre Jungs?

Hier beginnt es schwierig zu werden. Gute Callboys sind natürlich extrem gut aussehend. Also bei dem Preis, den ich verlange, müssen die Jungs aussehen wie Topmodels. Aber gutes Aussehen ist noch lange nicht genug. Das Optische heißt noch nicht, dass er Sexappeal hat oder etwas Gescheites rauskommt, wenn er den Mund aufmacht.

Also wo finden Sie diese Allrounder?

Die kommen von überallher. Ich mache regelmäßige Castings für meine Agentur 24ibiza.com. Interessanterweise kommt die Hälfte meiner Jungs aus gutem Hause, aus wirklich gutem Hause. Die haben halt ein paar Wochen Urlaub und kommen dann rüber. Letztens hatte ich einen, der hat als Anwaltsanwärter in einer Kanzlei gearbeitet, hat studiert. Eine anderer war ein junger angehender Kieferorthopäde.

Die holen sich den Kick oder wie?

Ganz genau.

Aber in Ihrem Buch treten auch die Armen aus Slowenien und Tschechien auf.

Anfangs hatte ich eine ganz andere Kategorie an Jungs, die brauchten das Geld.

Und die haben Sie jetzt gar nicht mehr?

Nein. Die haben damals 120 oder 150 Euro die Stunde verlangt. Die gehen dann eine Stunde mit dem Kunden und machen ihr Geschäft. Das war die ganz normale Schiene. Dafür mussten die kaum mehrsprachig sein. Da waren damals viele aus der Slowakei dabei, dann hatten wir Südamerikaner. Es ging einfach um Sex für Schwule, aber das mache ich nicht mehr, seit ich vorgestoßen bin in die immer reichere Klientel.

Sie haben kein festes Personal, sondern müssen sich immer neues suchen?

Ich habe natürliche feste Jungs. Aber der Vorteil ist, seitdem ich diese Hochpreisschiene fahre, dass der Preis keine Rolle spielt. Das Flugticket auch nicht. Mittlerweile wird vorbestellt. Da sagt dann einer: Wir haben am Donnerstag eine Party, oder ich fahre am Freitag mit meiner Yacht zwei Tage raus, und da hätte ich gern jemanden. Ich habe Jungs, die sitzen in London, in Paris, in Wien, und die rufe ich an und sage, ich brauche dich morgen auf Ibiza. Da ist das Flugticket für 300 oder 500 Euro auch vollkommen egal. Es sind 5.000 Euro plus sämtliche Reisespesen.

Wie alt kann man denn werden als Callboy?

30 Jahre.

Älter nicht?

Sagen wir mal 35, wenn er aussieht wie 30.

Das Alter spielt also eine enorme Rolle?

Enorm, auch bei Frauen. Ich habe immer gedacht, dass Frauen eher einen Mann als Begleiter wollen, der reifer ist. Irrtum. Die Frauen, die zu mir kommen, wollen wirklich einen jungen Stecher haben. Die wollen wahrscheinlich einfach diese Jugend wieder spüren.

Beschreiben Sie doch mal Ihre Kunden.

Grundsätzlich sind meine Kunden und Kundinnen zwischen 40 und 65 Jahre alt. Die Reichen auf Ibiza kommen aus der ganzen Welt. Das ist komplett gemischt, sehr viele Europäer, viele aus England. Russen und Araber bediene ich fast überhaupt nicht mehr, weil es da immer wieder Eskapaden und Ausraster gibt. Die Araber nehmen meistens sehr viele Drogen, die Russen saufen und werden dann rabiat und behandeln Menschen wie Dreck. Sie verprassen ihr Geld auf unglaublich ungute Weise. Die sitzen dann in der VIP Lounge im Club und bestellen riesige Magnum-Flaschen Champagner für 40.000 Euro, die dann öffentlich versprüht werden.

Aber Sie leben doch genau davon, oder?

Ja, ich lebe davon, das stimmt.

Warum eigentlich Ibiza?

Ibiza ist mit Abstand das faszinierendste Stück Erde, das ich kenne. Abgesehen davon, dass es eine wunderschöne Insel ist, ist es liberal, es ist alles sehr frei. Man kann dort Spaß haben. Es gibt tolle Plätze, tolle Leute.

Die totale Freiheit?

Ja, es ist dieses „to disconnect“, würde man im Englischen sagen. Wenn man dort ankommt, ist man in einer Fantasiewelt.

Das „kollektive Leben am Limit“ steht in Ihrem Buch.

Ja, das kollektive Leben am Limit, das hat etwas Faszinierendes: Ich bin selbst jemand, der gern Spaß hat. Ich habe früher viel Drogen konsumiert, ich habe selbst Probleme mit Drogen gehabt. Ich habe gern Spaß. Ibiza ist einfach ein Ort, da ist alles erlaubt. Das Drogengesetz ist sehr schwammig, man kann dort alles kaufen oder zumindest besitzen. Der Verkauf ist strafbar. Wenn ich mit ein, zwei Gramm Koks oder ein bisschen was zu kiffen oder Ecstasy erwischt werde, dann interessiert das kein Schwein. Die Polizei nimmt es dir weg. Das war es.

Was kann man alles auf Ibiza machen?

Nur ausgehen. Ibiza besteht eigentlich nur aus einem einzigen Grund, und das ist, Freude zu haben, Spaß zu haben. Das Party-Ibiza, das sind die berühmtesten Clubs der Welt, mit den berühmtesten DJs der Welt und 8.000 bis 10.000 Partygästen. Es geht einfach darum, abzufeiern.

Dauersaufen?

Ja. 24 Stunden Party. Das ist eine Milliardenindustrie, die unglaublich genial gemacht ist. Einfach perfekt inszeniert. Jeder Club hat eigene Paraden, es gibt jeden Tag eine neue Party, und bei jeder Parade kommen dreißig, vierzig bildhübsche Jungs und Mädels in tollen Kostümen. Wie Karneval. Das einzige Problem ist: Es entsteht immer mehr eine Zweiklassengesellschaft.

Was meinen Sie damit?

Es gibt immer mehr Reiche, Neureiche. Die wenigen Insider und die Reichen, die haben das Paradies auf Ibiza, aber der Massentourist wird abgezockt. Der wird ausgepresst. Er kommt dorthin, wird gleich vom Hotel betrunken gemacht, kriegt leicht irgendwelche Drogen und wird dann praktisch reingepresst in diese Partymaschinerie, um möglichst viel Geld auszugeben. Das ist ja alles vollkommen legitim, es ist nur die Art und Weise, wie es gemacht wird. Die ist schlimm.

Was gefällt Ihnen nicht?

Dieses Auspressen ohne Rücksicht auf Gesundheit. Dass dort alle Drogen nehmen, weiß jeder. Die Touristen, die dahinkommen, und diejenigen, die nicht so viel Geld haben, sind dem total ausgesetzt. Die können sich eben nicht die guten Drogen leisten, die reinen, die können sich nur die verschnittenen Drogen leisten. Oder die kaufen dort den gepanschten Alkohol, zum Beispiel in San Antonio, wo nur Massen-und Billigtourismus ist. Ich kannte da einen Barbesitzer, der hat seinen Wodka mit einem ganz billigen Fusel gemischt, fast schon Spiritus. Der hat dieses Gift irgendwo in Polen containerweise gekauft. Hauptsache, er verdient viel Kohle. Oder wenn einer auf der Tanzfläche umkippt, da wird er von Sanitätern wieder startklar gemacht und zurück ins Gedränge geschoben.

Diese Geschäftemacherei geht Ihnen auf den Keks?

Ja. Am Flughafen stehen teilweise Händler, die warten darauf, dass sie dir deinen Fotoapparat, deine Uhr abkaufen. Ich habe das gesehen.

Bei den Jugendlichen?

Na ja, es ist so, viele nehmen nur ein One-Way-Ticket nach Ibiza, weil sie nicht wissen, wie lange sie bleiben, vielleicht fünf Tage, vielleicht zwei Wochen. Die kommen dann auf den Flughafen, wollen ein Ticket nach Hause kaufen, aber das Geld reicht nicht. Dann kaufen diese Händler seine Kamera im Wert von 700 Euro, dem Wert, der ihm zum Ticket fehlt.

Ibiza, eine Geldmaschine.

Ja, was ich lustigerweise beobachten konnte, ist, dass es kaum Leute gibt, die mit Geld wieder zurück von Ibiza nach Hause fahren, auch wenn sie hier in den Bars gearbeitet haben.

■ Kritik: Die Erzählung des Kleinstunternehmers Christoph Schwarz bedient den Voyeurismus. Keine Literatur, aber ein Seismograf angesagter Ausschweifungen an den oberen Rändern des guten Lebens.

■ Titel: „Ibiza 24. Die dunklen Seiten einer Partyinsel“. edition a, Wien 2012, 19,95 Euro

Das Geld bleibt auf der Insel?

Ja, man kommt beispielsweise als Kellner dorthin. Als Kellner musst du gut aussehen, wenn du auf Ibiza arbeiten willst. Wenn du dort in Restaurants oder Clubs gehst, hast du nur hübsche Kellner, sogar die Securities sehen gut aus. Das Aussehen ist eine extrem wichtige Sache auf Ibiza. Es ist sicherlich die Insel mit den schönsten Menschen der Welt. Schönheit öffnet Tür und Tor. Das ist ja eine weltbekannte Sache, aber wenn es ein Sodom und Gomorra gibt, dann ist das sicherlich Ibiza.

Katastrophe Ibiza also für die Jungen, die nicht aufpassen?

Ja, für die Jungen, die nicht aufpassen. Die Reichen tauchen da auf mit ihren riesigen Yachten, machen riesige Partys, wo die Drogen überall rumstehen. In Schalen: Joints, Koks und anderes. Und die laden sich dann dreißig hübsche Mädels und dreißig hübsche Jungs ein. Die kommen in dieses tolle Haus und nehmen sofort alle möglichen Drogen und sind dicht. Im Endeffekt endet es darin, dass sie abgeschleppt werden, irgendwo ins Schlafzimmer.

Warum brauchen diese Reichen überhaupt noch Ihre Boys, wenn alles so leicht zu haben ist?

Es gibt Kunden, die dann zusätzlich meine Boys buchen. Wenn ich sage, ich mache da jetzt eine Party und hole mir fünfzig bildhübsche Menschen, die muss ich ja erst mal irgendwoher kriegen. Meine Agentur ist die bequemere Variante.

In Ihrem Buch erscheint Ibiza in einem eher dunklen Licht. Verkauft sich so etwas besser?

Nein, ich will die dunklen Seiten deswegen zeigen, weil mich persönlich einfach gewisse Dinge schockieren.

Aber Sie wollen doch an diese gigantische Partymaschinerie mit verdienen?

Ganz genau, das ist ja auch vollkommen in Ordnung, Geld damit zu verdienen, dass andere Leute Spaß haben. Das, was ich als Business betreibe, ist sicherlich umstritten.

Eigentlich sind Sie Zuhälter?

Das mögen manche Leute so sehen, ich sehe das überhaupt nicht so. Ein Zuhälter ist jemand, der jemanden zu etwas zwingt. In der klassischen Prostitution steht der Zuhälter hinter der Frau, beschützt sie und nimmt ihr gleichzeitig das verdiente Geld wieder weg. Da werden Pässe versteckt und Menschen geschmuggelt, das ist bei mir überhaupt nicht der Fall. Ich betreibe eine Kontaktagentur, meine Jungs kommen zu mir und wollen für mich arbeiten. Sie sind alle über zwanzig und sind sich sehr bewusst, was sie tun. Sie sind muskulös, sie sehen gut aus, sie sind intelligent und gebildet und kommen aus gutem Hause.

Macht Ihnen Ihre Arbeit noch Spaß?

Es ist eine angenehme Arbeit. Man muss sich einfach amüsieren. Oft will ich nur zu Hause liegen und mir eine DVD reinziehen. Aber ich muss auf die Partys, muss jeden Tag gut aussehen, muss ins Gym gehen, muss trainieren, muss trinken … und das ist schon sehr anstrengend.

Depressionen?

Nein, aber die Depression grassiert unter den Reichen. Da geht es um Einsamkeit. Die treten immer in großen Zirkeln auf, aber ihre Umgebung, das sind meistens aussaugende Zecken. Mit denen muss ich mich gut stellen, um geschäftlich einen Stich zu machen.

Haben Sie Angst, mit 40 nicht mehr als attraktiv zu gelten?

Noch gelte ich als attraktiv.

Was wären Sie gern geworden?

Schauspieler, da hätte ich die Begabung dazu.

Haben Sie Ihr Buch selbst geschrieben?

Nein, ein Ghostwirter.

Glauben Sie, dass Ihr Buch abschreckt?

Nein, das Gegenteil ist der Fall. Die Leute, die es im Verlag gelesen haben, wollen jetzt erst recht nach Ibiza.

Edith Kresta verantwortet unter anderem die Reise-Seiten der taz. Für einen hübschen Boy würde sie höchstens 5 Euro ausgeben. Damit er ein Eis lecken kann