das ding, das kommt
: Kränze klagender Künstler

Kranzfoto: Schatz/pixabayCC

Am 17. Februar war Trauerfeier: Um 12 Uhr hat das Chimera-Kunstkollektiv an den Hamburger Deichtorhallen einen Grabkranz niedergelegt. „Bis auf Weiteres geschlossen – in Gedenken an die Künste“ hatte die Gruppe das Event benannt.

Ziel sei gewesen, die prekäre Situation der Kultur in der aktuellen Pandemie-Lage „sichtbar zu machen“ und zwar „mit dieser Aktion“. Der Kranz ist deshalb das Ding, das kommt. Und zwar hoffentlich auf den Kompost, zur Not auch in den Müll, aber Hauptsache weg. Denn die Absicht ist ja gut, das Anliegen hundertpro berechtigt. Aber die Form ist schädlich. Wie verkommen muss eine Kunst sein, die meint, mithilfe eines so trivialen Trauersymbols die eigene materielle Krise darstellen zu können? Dabei wäre das ihr Job: Bilder und Sinnbilder zu brechen oder neue zu generieren. Wo unbedacht Pathosformeln reproduziert werden, entsteht dagegen nur Kitsch oder Schlimmeres.

Schließlich gehört der Grabkranz streng genommen auf den Schrottplatz ausrangierter Symbole, auch wenn er seiner militärischen Herkunft – und, by the way, nationalsozialistischen Prägung – entwachsen sein mag: Die Geschichte des Gedenk­requisits hat vor zehn Jahren die Würzburger Kulturhistorikerin Alexandra Kaiser erzählt. Wenn Privatleute, Staaten und Institutionen, grundsätzlich hilflos in der Bilder- und Symbolproduktion, ihn auch für wichtige Gedenkveranstaltungen nutzen, funktioniert der Kranz, weil es gerade nichts Besseres gibt.

Das zu ändern wäre eine Weise, auf der die Kunst belegen könnte, dass sie wirklich „Bezüge im Ganzen, losgelöst von Systemen, herzustellen“ vermag „und trotzdem jeden Einzelnen persönlich auf emotionaler Ebene“ zu erreichen in der Lage ist, wie das Chimera-Kollektiv behauptet. Eine Kunst aber, die um sich selbst trauert, indem sie Kerzen anzündet und Kränze abwirft, ist noch nicht einmal eine Freizeitgestaltung. Die ist langweilig. Also: tot.

Benno Schirrmeister