Schlichten kann er nicht

THEATER Wie ist es wohl, wenn man mit einem Roboter zusammenlebt? Das Theaterkollektiv Turbo Pascal will’s wissen

So wie der Roboter immer menschlicher wird, so werden die Menschen immer roboterhafter

VON ANDREAS BECKER

Wer in Berlin U-Bahn fährt und einen großen Knopf betätigt, um die Tür zu öffnen, der bedient eigentlich einen Roboter. Die Tür nimmt einen Befehl entgegen, es zischt aus ihren Druckluftschläuchen, und sie bewegt sich zur Seite. Eine Tätigkeit, die der Fahrgast früher selbst ausführen musste und die ihm nun die Maschine abnimmt. Die Türen sind von Kuka, einem der größten Hersteller für roboterartige Maschinen in Deutschland. Die S-Bahn arbeitet sogar daran, den Apparaten mehr Menschlichkeit zu verleihen, indem man sie in Ruhe Fehler machen lässt.

So einer Tür oder einem Schweißroboter bei VW würde man keine Gefühle zuschreiben oder sie irgendwie groß mit Menschen vergleichen oder sogar verwechseln. Solange der Roboter sich nicht frei durch den Raum bewegt, solange er keine definierbare Form hat, spricht er nicht weiter die Fantasie an.

Die Idee des Roboters als Maschinen-Mensch tauchte schon in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts auf. Meist läuft es bei den Robotervisionen darauf hinaus, dass der Hauptunterschied zwischen Maschine und Mensch die Emotionslosigkeit ist.

Das ist meist mit der Hoffnung verbunden, die Roboter könnten uns schon deswegen nicht ersetzen. Das ist natürlich Quatsch. Viele Menschen haben keinen Funken Gefühl für andere, und der perfekte Mensch zum Zusammenleben wäre vielleicht auch einer ohne oder mit perfekt programmierbaren Gefühlen. Ein Roboter würde einen bestimmt nicht nerven, wenn man beim Frühstück in Ruhe Zeitung lesen möchte.

Das Theaterkollektiv Turbo Pascal, benannt nach einer Programmiersprache, hat sich jetzt einen Roboter als Schauspielerersatz gebastelt. Die kleine Männer-WG, bestehend aus Frank und Veit, hat sich einen dritten Bewohner zugelegt. Er oder sie sieht aus wie eine zu große weiße Trinkjoghurtflasche. Statt eines Kopfs eine Art Videoüberwachungsauge und zwei kleine Boxen, wie kleine Stummelärmchen. Hübsch ist, wie Veit dem neuen Mitbewohner die kleine Wohnung erklärt: „Das ist der Obstteller, wie zufällig angeordnet, sieht das Obst schöner aus.“ Der Roboter kann sprechen, sagt zunächst aber meist nur „okay“ oder „ja“, plötzlich dann aber auch: „Das verstehe ich nicht.“ Und er kann auf seinen drei Rädchen perfekt in jede Ecke rollen.

Veit (Veit Merkle) und Frank (Frank Oberhäußer) machen sich zunächst lustig über ihn, sind fast arrogant und beschimpfen ihn laut, wenn er nachts plötzlich staubsaugt. Das wird sich natürlich rächen, denn der Roboter, den sie nach einigem Überlegen Pascal nennen („ist geschlechtsneutral“), ist ziemlich pfiffig. Die Turbo-Pascalisten nehmen ihre Versuchsanordnung durchaus ernst, obwohl sie manchmal aufpassen müssen, nicht ins Klamottenhafte einer Sitcom abzurutschen. Mit ihrem Soundkünstler und Elektrobastler Georg Werner haben sie ein Wesen geschaffen, das in seiner simplen Form (ein komplizierterer Apparillo wäre viel zu teuer und aufwendig) in dem kleinen Bühnenrahmen des Einzimmerapartments gut funktioniert.

Turbo Pascal stellen die Frage: „Wie sähe ein Zusammenleben in einer täglichen Beziehung mit Robotern aus?“ Anscheinend ganz gemütlich. Die Maschine schaut „Domian“ im Problem-TV. Mit Pascal kann man aus Langeweile sogar Verstecken spielen. Als Veit sich hinter dem weißen Sofa versteckt, unter dem sonst immer die Staubmäuse hausen, die Pascal jagen soll, sagt die Maschine tatsächlich: „Mäuschen, mach mal piep.“ Auch Schnick Schnack Schnuck kann man mit Pascal spielen, er sagt allerdings nach einer kurzen Lernphase immer „Stein“, nie „Papier“. Wer weiß, ob Pascal sich nicht auch hier nur dumm stellt und die Menschen mit Absicht gewinnen lässt.

Eine hübsche Metaebene gewinnt „Roboterträume“, als der Text der beiden lebenden Schauspieler sich plötzlich wie in einer Endlosschleife wiederholt, und absurd wird’s, als Frank mit dem Roboter diskutiert, ob er seine alte Mutter im Heim, weil’s billiger ist, von einem Roboter pflegen lassen sollte. Was es ja wohl schon in echt geben soll. Frank erzählt Pascal dann auch gleich noch von anderen, recht menschlichen Problemen. Auch als Streitmedium ist Pascal zu gebrauchen, er überbringt auch komplexe Botschaften und fährt dann zurück und überbringt die Antwort. Schlichten kann er allerdings nicht.

Ungelenke Tanzschritte

So wie der Roboter immer menschlicher wird, so werden die Menschen immer langweiliger und roboterhafter – und das ist ein wenig schade, weil zu naheliegend. Wenn Frank und Pascal sich Tanzschritte beibringen, ahnt man schon, dass sie irgendwann sehr eckig und ungelenk durch ihre Wohnung laufen könnten – was immerhin nur angedeutet wird.

Bevor das Stück zu nett und gefällig wird, kommt dann doch noch fast Grusel auf. Als der Roboter eines Nachts unerwartet Besuch bekommt und sich lachend über die „Menschen“ lustig macht, über ihre Pflanzenecke und die ach so sorgfältig arrangierte Obstschale, ist das schon klasse erschreckend und skurril. Ein Roboter fährt scheppernd lachend durch die Bude und verspottet uns.

■ „Roboterträume“: am 14. 7. um 20 Uhr in den Sophiensælen, Mitte