TOM STROHSCHNEIDER ÜBER DEN GEDENKTAG DES BUNDES DER STEUERZAHLER
: Voll daneben, Herr Holznagel

Einen solchen „Gedenktag“ würde man normalerweise ja gern verschlafen. Wäre da nicht Reiner Holznagel, dessen Bund der Steuerzahler Jahr um Jahr an der Decke zupft und mit dem Zeigefinger droht: Der Staat ist zu fett, hochgemästet mit den Abgaben der Bürger. Weshalb also Präsident Holznagel und sein Bund ebendiesen „Steuerzahlergedenktag“ begehen, es klingt, als ob bereits das Ableben der fiskalpolitischen Massenbasis zu beklagen wäre.

Was Holznagel und sein Verein tatsächlich meinen, ist mehr noch sogar: Auferstehung. „Von Sonntag, 5.20 Uhr, an arbeiten die Deutschen wieder für das eigene Portemonnaie.“ Ihre bisherige Arbeitsleistung sei allein an Fiskus und Sozialversicherung gegangen. „Rein rechnerisch“ natürlich.

Denn für ganz so blöd kann nicht einmal der Bund, der sich die größte Steuerzahlerorganisation der Welt nennt, all jene halten, die er angeblich vertritt. Die meisten Erwerbstätigen hierzulande nämlich wissen durchaus, dass sie nicht zuallererst für den Staat malochen, sondern für eine Firma in Privatbesitz, die sich ihre wertvolle Arbeitskraft gegen ein vergleichsweise kleines Entgelt aneignet.

Nicht der Staat ist zu fett, und weder Abgaben noch Steuern für sich genommen sind das Problem, sondern die Weise, in der die Lasten verteilt sind. Davon will der Bund aber nichts wissen; seine Forderungen, etwa die Reduzierung der Beitragssätze von Versicherungen oder die Abschaffung der kalten Progression ändern an dieser sozialen Unwucht nur wenig oder verstärken sie sogar.

Die Fiktion eines großen und einigen Steuerkollektivs, das gegenüber dem Staat und den Sozialversicherungen ein und dasselbe Interesse hat – diese Vorstellung ist, sorry: so verholznagelt, sie hätte fast schon einen Gedenktag verdient. Den man dann ganz beruhigt verschlafen könnte.

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