das ding, das kommt
: Gebrannte Erde

Keine Corona­keramik: Katrin Neuberts „Contagious“ entstand schon 2005. Jetzt ist das Steingut-Virus im Oldenburger Pulverturm zu sehen Foto: Behnelux

Als Utopie gegolten habe in den 1990er-Jahren Keramik als Medium zeitgenössischer Kunst, sagt Sabine Isensee. „Es war ein absolutes Novum, dass Keramik die Grenze der Gebrauchskeramik überschritt“, so die Kuratorin der Ausstellungsreihe „Keramik im Pulverturm“ im niedersächsischen Oldenburg. Dort wird seit inzwischen 25 Jahren sogar ein künstlerischer Förderpreis vergeben – heute darf von einem der wichtigsten Preise für künstlerische Keramik in Deutschland gesprochen werden.

Von menschheitsgeschichtlicher Warte aus hätten wir es bei der beschriebenen Engführung Gebrauchsgegenstände mit einem Rückschritt zu tun: Das Herstellen formbeständiger Objekte durch Brennen gehört zu den traditionsreichsten Kulturtechniken überhaupt. Die ältesten erhaltenen Beispiele sind vor fast 30.000 Jahren entstanden. Und ist, sagen wir: die „Venus von Dolní Věstonice“, gefunden an einem Lagerfeuer von Mammutjägern im heutigen Mähren, nicht doch etwas anderes, weniger schnöde Nützliches als irgendein Topf oder gar eine Kloschüssel? Eben.

In Oldenburg zeichnet man seit 1996 junge Ke­ra­mik­künst­le­r*in­nen aus, „die durch innovative und überraschende Positionen beeindrucken“. Zum Jubiläum gibt es dort nun ein Wiedersehen mit allen bisherigen Preisträger*innen. Das Spektrum der Arbeiten reicht von Figürlichem aus Steinzeug über Architektonisches aus Beton und farbenfrohe Ton-Collagen bis hin zu Fragilem aus Porzellan.

Auch die Eröffnung an diesem Sonntag um 11 Uhr schlägt einen Bogen zurück: Erneut erklingt Jens Carstensens Klanginstallation „Per sonare“, mit der im Juni 1996 der Pulverturm als „besonderer Kulturraum“ eingeweiht wurde.

Alexander Diehl

Jubiläumsausstellung „25 Jahre Förderpreis Keramik“: 4. 7. bis 29. 8., Oldenburg, Pulverturm am Schlosswall