„Was an der Uni passiert, ist ein Minimum“

Weil Bremer Studierenden das Klimaschutz-Engagement ihrer Uni nicht gereicht hat, haben sie sich selbst für eine Nachhaltigkeitskommission eingesetzt. Die wurde nun vom akademischen Senat eingerichtet und soll die Uni grundlegend transformieren

Wie grün ist die Bremer Uni, wie grün soll sie sein? Im Hintergrund: Der Fallturm Foto: Archiv

Interview Marie Gogoll

taz: Frau Häger, die Uni Bremen nutzt ausschließlich Ökostrom, engagiert sich in der Umweltforschung und hat sogar Anlagen für Solarstrom auf dem Dach. Warum braucht es da noch eine Kommission für Nachhaltigkeit?

Fiona Häger: Die Uni hat zwar das Ziel, klimaneutral zu werden, hat dafür aber kein Datum festgelegt. Damit ist dieses Ziel wirkungslos. Generell finden wir, dass sich die Uni sehr mit ihren Erfolgen schmückt und das Bild einer nachhaltigen Hochschule kreiert. Aber für uns ist das, was an der Uni gerade passiert, ein absolutes Minimum. Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach sollten keine Besonderheit mehr sein und es braucht noch viel mehr, damit wir das 1,5-Grad-Ziel erreichen. Deshalb haben wir uns als Students for Future für diese Kommission eingesetzt.

Es ist Oktober 2023, Studierende dürfen endlich wieder in die Unis und Grüppchen von Erstis wuseln über den Campus. Woran werden sie die Arbeit der Klimakommission erkennen?

Sie werden hoffentlich eine grüne Uni kennenlernen mit vielen Bäumen und größeren Rasenflächen. Außerdem wollen wir einen autofreien Campus. In erster Linie geht es bei der Klimakommission aber um Lehre und Leitbilder für Nachhaltigkeit, die man vielleicht nicht gleich erkennt.

Die Uni sollte also mehr für Umweltforschung tun?

Umweltforschung allein reicht nicht. Wir wollen viel mehr eine plurale Lehre, also, dass verschiedene Fachbereiche schon in den Einführungsvorlesungen auf die Klimakrise eingehen. Die Fachbereiche sollten thematisieren, welche Rolle Nachhaltigkeit in ihrem Fach spielt.

Wie könnte Nachhaltigkeit denn etwa in das Pädagogikstudium einbezogen werden?

Der Fachbereich könnte mit Schulen kooperieren und dort direkt Schulklassen beibringen, was Nachhaltigkeit bedeutet. Aber so viele konkrete Ideen für die Lehre haben wir auch noch nicht. Schlussendlich sind wir ja nur Studierende und erstellen die Lehrpläne nicht. Eine Aufgabe der Kommission wird deshalb sein, eine Planstelle für nachhaltige Lehre einzurichten.

Ziel der Kommission ist die klimaneutrale Uni. Kann es die in einer Welt, die nicht klimaneutral ist, überhaupt geben? Schließlich muss die Uni dafür sorgen, dass es in der Mensa Essen gibt, auf den ­Toiletten Papierhandtücher und irgendwie müssen die Studierenden ja auch zur Uni kommen …

Stimmt, das Ziel ist sehr anspruchsvoll. Aber es ist notwendig. Die Uni ist ein gesellschaftlicher Akteur, der für Forschung und Fortschritt steht und deswegen sollte sie ganz klar als Vorbild vorangehen. Sie muss den Umweltschutz ganzheitlicher bearbeiten als bisher und nachhaltig denken und handeln. Auftrag der Kommission ist deshalb auch, ein Nachhaltigkeitsmanagement aufzubauen. Das soll erarbeiten, wie der Weg zur Klimaneutralität in konkreten Maßnahmen aussieht.

Die Kommission möchte nicht nur den Klimaschutz verbessern, sondern hat sich gleich die „sozial-ökologischen Transformation“ auf die Fahne geschrieben. Was soll das bedeuten?

Die Uni hat neben ihrer Vorbildfunktion auch eine wissenschaftliche Verantwortung. Die sollte sie nutzen und das Land Bremen bei der nötigen gesellschaftlichen Transformation, zum Beispiel beim Thema Wasserversorgung, beraten, um den Klimawandel zu stoppen. Die Uni sollte sich außerdem selbst zu einer sozial nachhaltigen Institution transformieren und beispielsweise prekäre Arbeitsverhältnisse im Unibetrieb verbessern.

Mit der Kommission schaffen Sie ja schon eine Veränderung in der üblichen Zusammensetzung von Uni-Gremien, denn sie ist paritätisch besetzt. Was bedeutet das?

Foto: privat

Fiona Häger

19, ist Teil der Students for Future Bremen und studiert Soziologie und English Speaking Cultures an der Uni Bremen.

Paritätisch heißt so viel wie ausgewogen. Wir haben dafür gekämpft, dass jede Gruppe in der Kommission gleichermaßen vertreten ist, also haben wir jetzt je drei Professor*innen, Studierende, wissenschaftliche Mit­ar­bei­te­r*in­nen und Angestellte aus Verwaltung und Technik. Die Kommission wird zentrale Entscheidungen treffen, die komplexe Fragen behandeln. Dabei gibt es immer Akteure, die ihre Interessen über die allgemeinen Ziele stellen. Die paritätische Besetzung soll dafür sorgen, dass keine Gruppe zu viel Macht hat.

Welche Tipps würden Sie anderen Studierenden-Initiativen geben, wenn sie an Ihrer Uni auch für Nachhaltigkeit aktiv werden möchten?

Wir haben viele Gespräche, unter anderem mit Pro­fes­so­r*in­nen und De­ka­n*in­nen geführt. Das war ein zäher Prozess, man sollte also nicht so leicht aufgeben. Außerdem haben wir gelernt, verschiedene Interessen zu berücksichtigen und offen zu sein für neue Ideen. Es ist auch wichtig, viele Studis zu mobilisieren. Je mehr mit anpacken, desto besser klappt so ein Prozess.

Mit welchen Schritten startet die Kommission jetzt?

Erst mal muss sich jetzt eine feste Besetzung finden, also die Leute, die in der Kommission aktiv sein werden. Dann werden konkrete Ziele festgelegt und verfolgt. Als erstes könnte die Uni zum Beispiel an eine nachhaltige Bank wechseln, die sich für nachhaltige und soziale Projekte einsetzt.