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: Atlantischer Rollentausch

Als ich das letzte Mal in der Zentrale der taz gearbeitet habe, waren die beiden Deutschlands frisch vereinigt. Berlin roch noch nach Kaltem Krieg. Schnauzige Ureinwohner bestimmten den Ton. Bei dem Job im Ausland sagte ich sofort zu. In Paris habe ich mich in zwei französische Kunstformen verliebt: Streiken und Essen. In Washington habe ich mir Mut zugeredet vor Menschen, um deren Hälse Lichtbildausweise baumeln. In New York habe ich es genossen, eine zu sein, die deswegen dazugehört, weil sie anders ist. Nach mehr als einem Vierteljahrhundert bin ich nun für ein paar Monate zurück in Berlin. Statt frühmorgens schlaftrunken Aufträge für Texte entgegenzunehmen, die drei Stunden später fertig sein müssen, werde ich selbst bestellen. „Kann sein, dass du unseren nächsten Bürgerkrieg verpasst“, sagt ein Freund in Virginia zum Abschied. In New York beglückwünschen mich andere, weil ich in eine Stadt gehe, die „civilized“ sei. Mehrere richten Grüße an Angela Merkel aus. Ich bin gespannt auf ein Land, in dem „sozial“ nicht wie „Kommunismus“ klingt und wo Streit keine Sorge vor Schüssen auslöst. Gespannt, wie es ist, da zu sein, wo meine Wurzeln sind. An meinem ersten Tag in Berlin habe ich das Gefühl, dass die USA mitgereist sind. Die Werbeflächen sind voller Hollywood-Stars. Schnee in Washington schafft es in die Hauptnachrichten. Gespräche sind gespickt mit US-Slang. Meine Kollegen sehe ich nur auf dem Bildschirm. Das fühlt sich in derselben Zeitzone echter an. Aber der Kulturschock, den ein Freund prognostiziert hat, steht noch aus. Dorothea Hahn