wortwechsel
: Krieg schlecht – Nato gut? Wer besetzt den Diskurs?

Verliert im Krieg in der Ukraine die faire Analyse jeden Boden im „alten“ Blockdenken? Plötzlich wird Aufrüstung nicht mehr hinterfragt? Pazifismus ist nur was für die Doofen?

Demonstranten forderten 2016: Kooperation statt Nato-Konfrontation! Waffenlieferungsstopp! Die Waffen nieder! Politische Selbstbestimmung – für Syrien Foto: Stefan Boness

„Linke und der Ukrainekrieg: Die Nato-war-schuld-Linken. Einige Linke stecken noch immer in alten Denkmustern fest. Statt zu Putin auf Abstand zu gehen, beschuldigen sie weiter die USA und die Nato“, taz vom 7. 3. 22

Unschuldige Zuschauer?

Jan Pfaff beklagt sich über die Linken, die noch Amerika-kritisch sind. Vor kurzem erschien ein Artikel in der demokratischen New York Times mit dem Titel „This is Putin’s War. But America and Nato aren’t innocent bystanders“ (Amerika und die Nato sind keine unschuldigen Zuschauer). Der Text zitiert George Kenan, den Architekten von Amerikas erfolgreicher Eindämmung der Sowjetunion, mit seiner Erklärung vom 2. Mai 1998, unmittelbar nachdem der Senat die Nato-Erweiterung ratifiziert hatte: „Ich glaube, dies ist der Beginn eines neuen Kalten Krieges. Ich denke, die Russen werden allmählich ziemlich negativ reagieren, und das wird sich auf ihre Politik auswirken. Ich halte das für einen tragischen Fehler. Es gab überhaupt keinen Grund dafür. Niemand bedrohte einen anderen. Bei dieser Ausweitung würden sich die Gründerväter dieses Landes im Grabe umdrehen.“

David Auerbach, Wangen im Allgäu

180 Grad Wende?

Flüchtlinge aufnehmen? Selbstverständlich. Aber wenn dieselben Leute von „lieber rot als tot“ nunmehr die 180-Grad-Wende für Waffenlieferungen hinlegen – was ist hier los? Günter auf taz.de

@Günter Die spannende Frage könnte sein, ab wann Pazifismus über Leichen geht. Rero auf taz.de

Merkwürdig, dass sich hier jemand von der „grünen“ Heinrich-Böll-Stiftung an „Linken“ abarbeiten muss. Wieso weist der Autor ausgerechnet den Linken so viel Verantwortung zu, die in Deutschland in den letzten Jahrzehnten ja nicht gerade die Außenpolitik bestimmt haben? Und dann traut sich Herr Pfaff auch noch, Dinge zu leugnen, die sogar seinerzeit Helmut Schmidt (eher nicht als Linker bekannt) anerkannt hat: Dieser hat die Aufnahme der Ukraine in die Nato (von den Amerikanern vorangetrieben) stets mit Hinweis auf die russischen Sicherheits­interessen abgelehnt. Forist auf taz.de

Nato-Kritik denunziert?

Dieser Debattenbeitrag von Jan Pfaff ist wieder ein Beispiel, wie Kritik an der Politik des Westens und der Nato reflexhaft als Entschuldigung für Putins imperiale Aggressionspolitik denunziert wird. Die Außenpolitik Russlands unter Präsident Wladimir Putin ist davon geprägt, die geostrategische Umzingelung durch die Nato aufzubrechen und Einflussgebiete zu sichern. Brutale Völkerrechtsverletzungen (Kriege im Kaukasus, Syrien, Krim, Donbas, Luhansk) wurden und werden dabei in Kauf genommen. Innenpolitisch ist Putins System antidemokratisch, autoritär, gesellschaftlich konservativ, homophob, fördert Oligarchen und nebenher auch noch rechtsradikale Kräfte im restlichen Europa. Die Arroganz des Westens und der Nato, gespeist aus der Überheblichkeit der Sieger im „Kalten Krieg“ ab 1989, hat die Reaktionen Russlands (Georgien, Krim) nicht ernst genommen – oder eine Eskalation bewusst in Kauf genommen.

Siegfried Gack, Tübingen

Wer ist „schlimmer“?!

„Wer den Krieg in der Ukraine immer noch mit der Nato-Osterweiterung erklärt, weigert sich dazuzulernen.“ Wie wahr! Auch allen anderen Formen von Whataboutism gilt es jetzt die Stirn zu bieten. Viele Linke sehen diesen Konflikt immer noch vor dem Hintergrund der Frage, ob nun die USA oder Russland die „schlimmere Großmacht“ seien. Aber über diesen Punkt sind wir längst hinweg. Es geht nicht um Russland oder USA, auch nicht um Russland oder Nato, sondern es geht um Recht oder Unrecht, und ich bin bestürzt, wie wenig sensibel auch manche Linke sind, hier zu erkennen, für wen man hier richtigerweise Partei ergreift.

Mirko Klemm auf taz.de

Aggressive Aufrüstung

Sehr geehrter Herr Pfaff, das sind keine „überkommenen Denkmuster“. Wagenknecht mögen Sie in die linke Schublade stecken, aber sie ist Volkswirtin und versteht was von dem, was sie sagt, mehr als mancher Politologe. Aber auch noch Dohnanyi in diese Schublade zu stecken, ist unkritisch, der taz unwürdig, zeigt Unfähigkeit zu neutralem Denken und ist für den 94-Jährigen fast beleidigend. Er hat den Krieg miterlebt, Sie mit Ihren jungen 48 Jahren nicht. Drum können Sie auch eine weitere aggressive Nato-Erweiterung und Aufrüstung befürworten. Der Wortbruch der Nato nach den Zusagen 1990 („Keine Osterweiterung der Nato“) ist nicht „vermeintlich“, für Russland war’s ein Wortbruch. Umso weniger vertrauen sie jetzt mündlichen Aussagen, ein Nato-Beitritt der Ukraine sei „derzeit nicht aktuell“. Von einer „extremen Militarisierung Russlands“ kann ebenfalls keine Rede sein, die USA geben jährlich 700 Milliarden Dollar für Rüstung aus, viermal soviel wir Russland. Helmut W. Maciej, München

Die Wahrheit stirbt

Es heißt ja, in einem Krieg stirbt die Wahrheit zuerst. Das handhabten die USA in Vietnam, im Irak und anderswo so – und aktuell tut dies auch Putin.

Klaus Waldhans auf taz.de

Niemand geht zur Partei Die Linke, weil er Russland verteidigen und die USA verteufeln will, sondern weil er eine solidarische und soziale Gesellschaft anstrebt.

M.D: Bichlmeier auf taz.de

Weder … noch

Ich empfehle die gute alte Informationsstelle Militarisierung e. V.: www.imi-online.de. Man muss nicht den oligarchischen Kapitalismus Putin-Russlands rechtfertigen, beschönigen oder gar seinen verbrecherischen imperialen Angriffskrieg verteidigen, um eine fundamental-kritische Haltung zur Nato-Politik einzunehmen. Gibt’s noch Raum für ein weder noch – weder „Putin“ noch Nato-Kriegspolitik? Martinxyz auf taz.de