Die Namen der Toten fehlen

Der geschändete NS-Opfer-Friedhof Meyerhöfen bei Bohmte braucht neue Würde – und ein Bildungskonzept. Passiert ist bisher trotz Absichtserklärungen sehr wenig

Die Grünpflege hat die Gemeinde wieder aufgenommen – aber der Vandalismus ist auf dem NS-Opfer-Friedhof Meyerhöfen immer noch präsent Foto: Daniel Schnier

Von Harff-Peter Schönherr

Es gibt Menschen, die haben einen langen Atem. Daniel Schnier ist einer dieser Menschen. Eine Sache, die ihm keine Ruhe lässt, seit Jahren schon, ist der NS-Opfer-Friedhof Meyerhöfen bei Bohmte im Landkreis Osnabrück, der von Vandalismus und Schändung gezeichnet ist.

Rund 500 Tote aus vielen Ländern liegen hier: Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, auch Kinder. Schnier ist in Bohmte aufgewachsen, heute ist er Bremer. Er besucht den Gedenkort auch, um zu prüfen, ob er „endlich von einer Verscharrung zu neuer Würde“ gefunden hat.

Sein letzter Besuch, Anfang Mai, gab Anlass zur Hoffnung. Die Zäune, zuvor marode, sind repariert. Die Grabsteine, zuvor verdreckt, überwachsen, teils aus dem Boden gebrochen, sehen ordentlich aus. Der Rasen ist geschnitten. „Endlich Veränderungen!“, sagt Schnier der taz. Der Grund: Das Niedersächsische Innenministerium, das für den Erhalt des Friedhofs zuständig ist, hat der Gemeinde Bohmte erlaubt, die Grünpflege zu übernehmen.

Aber das Wesentliche ist weiterhin ungetan. Die Bronze­tafeln, auf denen die Namen der Toten standen, 2017 von ihren Stelen gesägt, sind bis heute nicht ersetzt. Und der gammelige Informations-Pultstein am Eingang ist es ebenfalls nicht. Sein riesiger, hilflos wirkender QR-Code überdeckt eine „ADOLF“-Ritzung und führt auf die Website des Ministeriums, zu „sehr lieblosen, bürokratischen, mageren Inhalten“, sagt Schnier.

Vertiefende Forschung und ein Konzept für nachhaltige Erinnerungsarbeit waren Mitte 2019 angeregt worden durch Historiker wie Michael Gander, Leiter der Osnabrücker Gedenkstätten Augustaschacht und Gestapokeller. Filiz Polat, Bundes­tags­abgeord­nete der Grünen aus dem nahen Bramsche, hatte zum Ortstermin geladen, lokalen „Tatendrang“ gespürt. Aber bis auf die Gärtnerarbeit ist nichts passiert. Jedenfalls nicht sichtbar.

„Wir haben beim Ministerium immer wieder gedrängt, dass die neuen Gedenktafeln endlich kommen“, sagt Bohmtes Bürgermeisterin Tanja Strotmann der taz. Es sei ein langer Prozess gewesen, getan habe sich bislang nichts. „Letztens hieß es, dass sie fertig sind“, so Strotmann.

Sie seien „zwischenzeitlich“ angefertigt worden, bestätigt Svenja Mischel der taz, Sprecherin des Innenministeriums. Aus schwarzem Diabas-Naturstein, in sie graviert die Namen der Toten. Aber es gebe Verzögerungen, verursacht „aufgrund von Lieferschwierigkeiten durch die Coronapandemie und den zur Zeit herrschenden Krieg in der Ukraine“. Wann die Installation erfolgt, steht noch nicht fest. Voraussichtlich sei das noch im zweiten Quartal. Auch die Platte des Pultsteins mit dem QR-Code solle zeitnah erneuert werden.

„Die Erinnerungs­kultur braucht in unserer Gesellschaft dringend mehr Ressourcen“

Daniel Schnier, gebürtiger Bohmter

Zeitnah? Ziemlich vage. „Das haben wir jetzt schon so oft gehört!“, sagt Schnier skeptisch. „Jahre sind ins Land gegangen, ohne Ergebnis! Für mich wirkt das wie Verschleppung!“ Und mit dem Baulichen sei es ja nicht getan. „Das Wichtigste ist, dass da kontinuierliche Erinnerungsarbeit stattfindet.“

Gander sieht das genauso. „Das Thema ist nicht vom Tisch“, sagt er der taz. „Wir brauchen für Meyerhöfen dringend weitere biografische Forschung, ein Bildungskonzept.“ Das Problem: Ganders Personaldecke dünn. Work- und Studycamps sind zu organisieren, Führungen, Lesungen, Konzerte, Zeitzeugengespräche. Letztens erst hat sein Gedenkstättenensemble die vorbildliche, hausweite Dauerausstellung „Polizeigewalt und Zwangsarbeit. Die Gestapo Osnabrück und ihr Arbeitserziehungslager Ohrbeck“ gestemmt. Augmented Reality inklusive. „Die Arbeit für Meyerhöfen hätte schon längst weitergehen sollen“, sagt Gander. „Und sie wird es jetzt auch.“

Daniel Schnier freut das. „Ich weiß, Gander macht gute Arbeit. Aber dass die so überlastet sind, zeigt ja auch was: Die Erinnerungskultur braucht in unserer Gesellschaft dringend mehr Ressourcen.“