missverstanden
: Aufräumen ist gut, aber nicht im Wald

Erinnert sich noch jemand an das Spottgelächter der Finnen? 2018, als in Kalifornien die Wälder brennen und Donald Trump behauptet, das gäbe es in Finnland nicht, weil die Finnen ihren Wald immer so schön durchharken? Absurdes Theater.

Sachsen-Anhalts CDU-Fraktionschef Guido Heuer muss es gefallen haben. Er eifert Faktenfeind Trump nach, denn auch am Brocken brennt es: „Ganz einfach: Das Totholz muss aus dem Wald“, sagt er am Montag in Magdeburg. Klingt natürlich gut: Nationalparkrettung!

Totholz! Klar, weg damit! Wer will denn schon einen Wald voller Leichen? Abgestorbene Bäume, runtergefallene Äste? Ekelhaft! Unzumutbar! Gefährlich! Harke geschultert, und zu Tausenden raus in den deutschen Tann, denn Ordnung muss sein! Heuer wird es schließlich wissen: Für „naturnahe Waldbewirtschaftung“ setzt er sich ein, sagt er.

Naturnah? Da könnten natürlich jetzt die Ökos kommen und was von Lebensraum erzählen, von Biodiversität, und davon, dass es ohne Totholz keine Pilze gibt, keine Insekten, keine Würmer, keine Nisthöhlen für Specht, Waldkauz und Siebenschläfer. Dass Totholz die Bodenerosion mindert, das Grundwasser reguliert, als Keimbett für neue Bäume taugt. Dass viele Pflanzen und Tiere, die es ohne Totholz nicht gäbe, auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten stehen.

Aber Farne, Moose? Wer braucht die schon! Hirschkäfer, Waldeidechse? Unnütz! Viel wichtiger ist, dass kein Waldarbeiter über einen Ast stolpert, wenn er fürs Forstamt durchs Gehölz stapft, um aus Lebewesen Bauholz zu machen. Oder dass sich kein Nationalparktourist beschwert, weil rechts und links des Wegs nicht nur grüne, gesunde Fotomotive stehen sondern auch faulige Ruinen.

Heuer könnte sein Harken als Tradition verkaufen, denn Wälder ohne Totholz hatten wir ja schon mal: In Notzeiten, wie viele sie gerade wieder fürchten und weil das angeblich Schädlingen zu Leibe rückt, die der Mensch überall bekämpft, obwohl er selbst der größte von ihnen ist. Aber das ist altes Denken. Wer einen Wald aufräumt, verursacht Massensterben! Heuer sollte sich lieber um die Klima­krise kümmern. Denn durch sie stirbt der Wald erst recht, in weit größerem Stil als sich jedes Feuer fressen könnte.

Und wenn wir schon bei Aufgaben sind: Warum räumt Heuer nicht dort in der Natur auf, wo es wirklich wichtig ist: im Meer zum Beispiel. Munition vieler Kriege rottet in dessen Tiefen vor sich hin. Zehntausende Geisternetze der Überfischungsindustrie lassen Tiere verenden. Manch Müllstrudel ist größer als Europa. Genug zu tun für Naturfreund Heuer.

Harff-Peter Schönherr