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Nicht mit dem Computer!

Viele Menschen wollen nach ihrem Tod (auch) gemeinnützige Organisationen bedenken. Cornelia Rump ist Fachanwältin für Erbrecht und erklärt, was es generell zu bedenken gilt und wie ein Testament richtig aufgesetzt wird

In guten Händen, auch ohne Kinder Gerade Menschen ohne eigene Kinder suchen nach Möglichkeiten, ihr Erbe für etwas Gutes einzusetzen. Andere mit Kindern haben genug, um über die Familie hinaus etwas an die Gesellschaft zu geben. Wer eigenes Glück erfahren hat, möchte davon am Ende wieder etwas zurückgeben.

Professionalität und Erfahrung Was gilt es zu beachten und zu regeln, damit der letzte Wille umgesetzt wird? Wen kontaktiert man in welcher Angelegenheit? Gemeinnützige Organisationen bringen viel Erfahrung mit ein und können professionell unterstützen.

Eine neutrale Institution außerhalb von Konflikten Der Tod eines geliebten Menschen ist für Hinterbliebene ein schwerer Schlag, unterschwellige Konflikte, die bis dahin verdeckt waren, können offen ausbrechen. Dann wird es schwierig, das Erbe zu regeln. Ist eine Hilfsorganisation Teil der Erbengemeinschaft, steht sie als neutrale Institution außerhalb solcher Konflikte und kann im besten Fall mit Professionalität und Fingerspitzengefühl den Konflikt entschärfen.

Das Testament vollstrecken Wird eine Hilfsorganisation als Haupterbin eingesetzt, kann sie als objektive Mittlerin in der Erbengemeinschaft auftreten und damit auch den Testamentsvollstrecker bzw. die Testamentsvollstreckerin erübrigen. Ziel ist es, dass der Nachlass unter den Erbenden sach- und ordnungsgemäß aufgeteilt wird.

Von Helke Diers

Viel Vermögen wird jedes Jahr in Deutschland zwischen Privaten weitergegeben. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts wurden 2020 steuerlich veranlagt 84,4 Milliarden Euro verschenkt oder vererbt. Weit höhere Beträge liegen innerhalb der gesetzlichen Freibeträge und werden in der Regel als unversteuert nicht erfasst. Bis zu 400 Milliarden Euro betrage das Erbvolumen inklusive Schenkungen pro Jahr bis 2027. Zu diesem Ergebnis kam eine von der Hans-Böckler-Stiftung beauftragte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Jahr 2017.

In den Zahlen des statistischen Bundesamtes unsichtbar bleiben auch die gemeinnützig verwendeten Summen. Denn: „Gemeinnützige Organisationen sind komplett von der Erbschaftssteuer befreit“, erläutert Cornelia Rump. Die Bereitschaft zum gemeinnützigen Vererben sei hoch, so die Fachanwältin. Sie ist Koordinatorin des Nachlass-Portals, eines Zusammenschlusses gemeinnütziger Organisationen mit Service rund um die Testamentsgestaltung, und hält bundesweit Vorträge.

Rump nennt verschiedene Gründe, die gemeinnützig testierende Menschen bewegen. Viele Menschen engagierten sich schon zu Lebzeiten und möchten ihr Wirken fortgesetzt wissen. Andere lebten in weniger engen oder klassischen familiären Verhältnissen. Manche treibe die Sorge um, wer nach dem eigenen Tod alles Anfallende zuverlässig besorge. „Diese Menschen fragen sich: Wer macht die Schubladen auf, löst die Wohnung auf, regelt die Bankangelegenheiten? Die eigenen Freunde sind oft so alt wie man selbst“, teilt Rump ihre Erfahrung. Einige gemeinnützige Organisationen übernehmen, wenn sie im Testament begünstigt werden, auf Wunsch auch die komplette Abwicklung des Nachlasses.

Die gesetzliche Erbfolge greift immer, wenn Menschen keine eigene Verfügung getroffen haben. Ohne Testament oder Erbvertrag erben der/die Ehe­part­ne­r:in oder ein:e ein­ge­tra­ge­ne:r Le­bens­part­ne­r:in sowie die Kinder, ersatzweise die Enkelkinder. Ohne Nachkommen erben entferntere Verwandte. „Egal ob man Kontakt hatte oder nicht“, betont Rump.

Wer von der gesetzlichen Erbfolge abweichen möchte, kann dies durch ein Testament regeln und muss zunächst lernen, Erbe und Vermächtnis zu trennen. Was im Sprachgebrauch oft verschwimmt, löst juristisch unterschiedliche Konsequenzen aus. „Der Erbe ist der Kümmerer“, sagt Cornelia Rump. „Der soll sich um die gesamte Nachlassabwicklung kümmern und übernimmt alle positiven und negativen Nachlasspositionen. Sowohl Vermögen als auch Schulden.“ Wer einen Teil des Erbes ohne weitere Aufgaben und Verbindlichkeiten erhalten solle, sei Vermächtnisnehmer:in. „Ideal ist ein Alleinerbe“, findet Rump. Der sei zur Abgabe an etwaige Ver­mächt­nis­neh­me­r:in­nen verpflichtet, könne aber bei der Abwicklung allein und schnell agieren. Gemeinnützige Organisationen können grundsätzlich sowohl Erbinnen als auch Vermächtnisnehmerinnen werden.

Wird ein älteres Einzeltestament ersetzt, sollte zu Beginn eines neuen Testaments ein Widerruf erklärt werden, erläutert Cornelia Rump. Gibt es ein gemeinschaftliches Testament mit einem/einer Ehe­gat­t:in oder ein­ge­tra­ge­ne:r Le­bens­part­ne­r:in oder einen notariellen Erbvertrag, ist ein neues Einzeltestament gar nicht oder nicht ohne Weiteres möglich. „Das ist Menschen nicht immer bewusst“, weiß Rump. Juristische Beratung bringt hier Klarheit. Auch zu anderen Fragen nützt Rechtsberatung für treffsichere Formulierungen und Vollständigkeit. „Man macht normalerweise ein- oder zweimal im Leben ein Testament und denkt schnell nicht an alles“, sagt die Rechtsanwältin. Für viele Wünsche lassen sich rechtlich umsetzbare Lösungen finden. „Die Gestaltungsfreiheit ist in keinem anderen Rechtsgebiet so groß wie im Erbrecht.“

Bei der Aufteilung des Vermögens müssen Testierende auf eine weitere Besonderheit achten, erläutert Rump. Das gelte jedenfalls, wenn sie mehrere Er­b:in­nen einsetzen wollen. „Menschen neigen dazu, Gegenstände zu verteilen.“ Das sei ungünstig und lege den Grundstein für Unklarheiten und Streitigkeiten, denn im Erbschein müsse per Quote angegeben werden, wer zu welchem Anteil erben solle. „Um aus einzelnen Gegenständen eine Quote zu bilden, muss der Wert ermittelt und zurückgerechnet werden. Das ist schwierig“, sagt Rump.

Auch bei der Form gilt: Ein Testament bedarf besonderer Aufmerksamkeit. Entweder gehen potenzielle Erb­las­se­r:in­nen zum:r Notar:in. Oder sie schreiben ihren letzten Willen per Hand. Und zwar von Anfang bis Ende und samt Unterschrift. „Man darf nicht auf Anlagen Bezug nehmen, die man mit dem Computer geschrieben hat“, nennt Rechtsanwältin Rump einen möglichen Fallstrick.

Wer sich die Mühe eines Testaments macht, möchte seinen letzten Willen in die Tat umgesetzt wissen. Fatal, wenn das verfügende Schriftstück vergessen in einem Karton schlummert oder versehentlich entsorgt wird. Denn manchmal ist das Testament bereits Jahrzehnte alt oder sind Menschen in den letzten Lebensjahren nicht mehr in der Lage, alle Formalitäten zuverlässig zu überblicken. „Die beste Variante ist es, das Testament beim Nachlassgericht abzugeben. Dann wird es automatisch und sicher eröffnet“, weiß Cornelia Rump. „Das geht auch mit einem handschriftlichen Testament.“

Wenn (auch) an eine oder mehrere gemeinnützigen Organisationen vererbt wird, sollten Erb­las­se­r:in­nen zu Details, Wünschen und deren Umsetzung vorher den Austausch suchen. „Nicht alle können ganze Nachlässe abwickeln“, beschreibt Rump ihre Erfahrungen. „Die Organisation hat so außerdem die Möglichkeit, Rückfragen zu stellen. Und es ist vielleicht auch ein gutes Gefühl, wenn man eine Rückmeldung hat, dass die eigenen Vorstellungen umgesetzt werden können“, meint sie. Beim Nachlass-Portal, für das Cornelia Rump arbeitet, benennen Organisationen ihre An­sprech­part­ne­r:in­nen und bieten unter anderem Erklärvideos und Onlinevorträge an. Dabei sind beispielsweise Amnesty International Deutschland, das Deutsche Rote Kreuz oder Save the Children. „Wir wollen Service bieten“, sagt Rump über den Zusammenschluss. Der gemeinsame Nenner sei die Erfahrung in respektvoller und nachhaltiger Nachlassabwicklung und ein juristisches Netzwerk.

www.nachlass-portal.de