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: „Das Publikum wird mitten im Tanz sitzen“

Markus Hoft will zusammen mit sehenden und blinden Tän­ze­r:in­nen den Klimawandel erfahrbar machen

Foto: Norbert Müller

Markus Hoft

52, ist Tänzer und Choreograf in Bremen, ausgebildet in Deutschland und Groß­britannien.

Interview Lisa Werner

taz: Herr Hoft, wie lässt sich Tanz für blindes und sehendes Publikum erfahrbar machen?

Markus Hoft: Für nicht sehendes Publikum gibt es die Audiodeskription, heißt: Jedes Stück wird in Sprache übersetzt. Die audiodeskriptierende Person muss auswählen, was sie übersetzt. Zum Beispiel: Der Tänzer bewegt sich langsam zu Boden. Dort dreht er sich, er rollt, er trifft eine andere Person, zusammen erheben sie sich und springen gemeinsam. So wird gesagt, was auf der Bühne passiert.

Gibt es weitere Ansätze?

Das Publikum ist sehr wichtig, das wird mitten im Tanz sein. Gemeinsam werden vier Personen, Stuhllehne an Stuhllehne, auf der Bühne sitzen. So wird der Tanz um einen herum erlebbar sein. Wir arbeiten mit den Geräuschen unserer Körper am Boden, den Kostümen und der Bewegungen. Wenn ich eine weite Armbewegung mache, wird das Publikum in der Nähe den Luftzug leicht spüren.

Darum der Titel „spürbar unsichtbar“…?

Tatsächlich wurde der Titel von einer blinden Tänzerin vorgeschlagen. Die Idee ist: Wie kann ich etwas Unsichtbares spürbar machen? Der Tanz ist an sich eine sehr visuelle Kunstform, wie ein Bild. Von mir gesammeltes Treibholz, gewundene Äste und Wurzeln werden dem Publikum zu Beginn gegeben. Später können sie die Objekte untereinander austauschen. In dem Holz ist schon ganz viel Bewegung, man könnte sagen, Tanz enthalten. So kann Tanz haptisch nachgespürt werden.

Was ist bei der Zusammenarbeit von Tän­ze­r:in­nen mit und ohne Seheinschränkung zu beachten?

Das ist komplexer. Ich muss schauen, was die seheingeschränkten Tän­ze­r:in­nen benötigen. Begonnen hat es beim Proberaum. Der musste auch für eine blinde Person gut erreichbar sein. Dann haben wir eine Tänzerin, die recht wenig sehen kann. Bei ihr ist das tages- oder lichtabhängig. Wenn viel Sonnenlicht in den Raum strahlt, wird sie geblendet und sieht nichts. Das geht natürlich nicht. Wir tanzen jetzt auf weißen Böden, damit sie die Körper erkennt.

Wie funktioniert das gemeinsame Tanzen?

Die seheingeschränkten Tän­ze­r:in­nen müssen beispielsweise wissen, wann sie sich bewegen können und wann kein Platz ist. Deshalb werden sie auf der Bühne ein wenig geleitet. Genauso müssen unsere Bewegungen beschrieben werden. Ich kann nicht sagen: Macht das nach. Was ich bewege, wie ich mich bewege, muss erzählt und haptisch gezeigt werden. Hauptsächlich arbeiten wir mit Bewegungsthemen, bei ihnen geht es nicht um exakte Bewegungen, das wäre zu schwierig.

„spürbar unsichtbar“, Tanztheater, 23.–25. 9., Schaulust im Güterbahnhof Bremen, jeweils 19.30 Uhr

Was hat das Tanzstück mit dem globalen Klimastreik zu tun?

Konkret nichts, aber mit dem Thema „Klimawandel“. Die Grundfrage war: Wie kann ich Tanz für ein nicht sehendes Publikum erlebbar machen. Ich bin hier wie an jedes andere Tanzstück herangegangen. Ich musste dann nur versuchen, das für ein nicht sehendes Publikum zu übersetzen. Mich interessiert der Klimawandel, bin früherer Aktivist, also habe ich das als Thema gewählt. Ich konnte den norwegischen Musiker Terje Isungset, der aus Gletschereis Instrumente baut, für das Projekt gewinnen. Er wird für das Stück nach Bremen kommen.

Sehen Sie den Tanz denn als eine Fortsetzung Ihres Umweltaktivismus?

Zum Teil. Ja, es gibt da eine Fortsetzung oder auch eine Übertragung. Ich finde, dass beides zusammengeht. Ich war bei den letzten Klimademos als Stelzenläufer mitgelaufen. Ich finde, dass sich Tanz in Politik einmischen oder in ihr mitmischen kann.