Klima-Kanzler/in gesucht

WAHLKAMPF Infratest-Umfrage weist dem Klimaschutz hohe Bedeutung zu: 19 Prozent der Wähler machen ihre Entscheidung vom jeweiligen Engagement der Parteien abhängig

„Klimapolitik kann den Ausgang der Bundestagswahl entscheiden“

VON NICK REIMER

Jetzt ist der Klimawähler geboren: SPD und Union könnten bei der Bundestagswahl wahlentscheidend punkten, wenn sie sich klar für alternative Energien und Klimaschutz positionieren würden. Das ist Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap, die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. „19 Prozent der 1.000 repräsentativ befragten Bürger erklärten, sie würden die Wahl der SPD oder CDU in Betracht ziehen, wenn diese sich stärker um den Klimaschutz kümmerten“, erklärte Thorsten Spengler von Infratest.

Mehr alternative Energien, eine neue ökologische Wirtschaftspolitik und eine deutsche Führungsrolle bei den Klimaverhandlungen – würden Sie die SPD wählen, falls Frank-Walter Steinmeier sich dafür deutlich stärker einsetzt, fragte Infratest. 30 Prozent der Grünen-Anhänger antworteten mit „Ja“, 39 Prozent mit „Ja, vielleicht“. Immerhin 12 Prozent der FDP-Anhänger bejahten und sogar 8 Prozent der Anhänger der Union. Umgekehrt würden 35 Prozent der SPD-Anhänger Angela Merkel wählen, wenn sie wieder mehr Klimaschutz betreiben würde und sogar 54 Prozent der FDP. „Immer mehr Wähler entscheiden sich erst kurz vor der Wahl“, erläuterte Spengler.

„Die Parteien suchen nach einem Wahlkampfthema, wir haben es gefunden“, frohlockt Julius van de Laar, Sprecher der internationalen Klimaschutzorganisation AVAAZ. Gemeinsam mit der deutschen Klimaallianz hatte AVAAZ die Umfrage in Auftrag gegeben. „Wir haben das vor den Wahlen in Kanada, vor den Wahlen in Australien oder zuletzt vor den Wahlen in Japan gesehen: Klimapolitik kann den Ausgang entscheiden“, so van de Laar. Mit dem Internetportal Klimakanzlerin-gesucht.de soll Druck aufgebaut werden. Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier habe gebeten, die Umfrageergebnisse noch einmal persönlich vorgestellt zu bekommen. Bei einem Wahlkampfbesuch im Bergwerk Bottrop hat sich der SPD-Kandidat jedoch zur weiteren Steinkohleförderung bekannt. „Unsere Aufgabe ist jetzt, im Wahlkampf genau hinzuschauen“, sagte Christoph Bals von Germanwatch und kündigte an, dass die Klima-Allianz nun auf jeder Veranstaltung der beiden Spitzenkandidaten präsent sei.

Allerdings weist der schöne Optimismus der Klimaschützer einen Makel auf: Die Frage, wie wahlentscheidend Klimaschutz etwa im Vergleich zur Bildungs-, Wirtschafts- oder Sozialpolitik ist, diese Frage stellte Infratest nicht. „In Absprache mit unserem Auftraggeber“, sagte Thorsten Spengler. Aus früheren Untersuchungen wisse man allerdings, dass etwa die Energiepolitik den anderen Themen gegenüber gleichrangig gesehen wird.