ausgeleuchtet
: Wie schön, dass wohl noch mehr enteignet werden könnte

Bei russischen Oligarchen ist die öffentliche Meinung spätestens seit dem Februar vergangenen Jahres ziemlich einhellig: Ihr Vermögen, über dessen Höhe seither in Dutzenden Medienberichten Einiges bekannt wurde, sollte man hierzulande „festsetzen“ – ob es nun Villen, Yachten oder Jets sind. Und dann könnte man damit etwas Gutes tun: Verkaufen und mit dem Geld eines Tages den Wiederaufbau in der Ukraine finanzieren. Das dahinterstehende Argument, das bei vielen für Zustimmung für dieses Vorgehen sorgt, ist schließlich ziemlich stichhaltig: Das öffentliche Interesse überwiegt gegenüber dem Einzelinteresse.

Man kann den Vorgang aber auch mit einem anderen Wort zusammenfassen: Enteignung. In Hamburg läuft die Debatte um die Enteignung von Mietwohnraum zwar an, ist aber noch nicht in vollem Gang, auch wenn die Volksinitiative „Hamburg enteignet“ im ersten Schritt auf dem Weg zu einem Volksentscheid bereits rund 18.000 Unterschriften gesammelt hat.

Das könnte sich jedoch so langsam ändern. Eine der zentralen Fragen ist bislang offen geblieben: Wie ist die Eigentümerstruktur in dieser Stadt? Sind es vor allem Klein­ver­mie­te­r:in­nen – etwa Rentner:innen, die sich durch die Vermietung von ein, zwei Wohnungen das Leben etwas angenehmer machen? Offenbar nicht. Zu diesem Ergebnis kommen Christoph Trautvetter und Sarah Knechtel, die für die Rosa-Luxemburg-Stiftung die Eigentümergruppen in Hamburg und einigen anderen Städten ein Stück weit ausgeleuchtet haben. Stattdessen sind es große Pri­vat­ei­gen­tü­me­r:in­nen sowie die börsennotierten Akteure, denen ein Viertel des vermieteten Wohnungsbestandes in der Stadt gehört.

Wer als große Pri­vat­ei­gen­tü­me­r:in­nen gilt? Dazu zählen Trautvetter und Knechtel jene, denen mehr als sieben Wohnungen in der Stadt gehören – angesichts der Wertentwicklung von Immobilien sind das mindestens Millionär:innen. Und daneben gibt es natürlich es auch zig Akteure, denen sogar ein paar Tausend Wohnungen in Hamburg gehören.

Die Volksinitiative hatte bislang lediglich gefordert, dass von einer Enteignung betroffen sein soll, wer mehr als 500 Wohnungen in Hamburg besitzt. Geschätzt hatte die Ini, dass es damit Pi mal Daumen um 100.000 Wohnungen ginge – zehn Prozent der in Hamburg existierenden. Die Studie legt nah, dass es deutlich mehr Wohnungen sind, die nach den Plänen der Initiative enteignet werden könnten.

Daneben gibt es natürlich auch zig Akteure, denen sogar ein paar Tausend Wohnungen in Hamburg gehören

Und das ist eine gute Nachricht: Zwar gibt es auch grauenvolle Klein­ver­mie­te­r:in­nen, und auch den respektlosen Umgang mit Mie­te­r:in­nen bei Genossenschaften und städtischen Wohnungsunternehmen. Da werden dann von Mie­te­r:in­nen gemeldete Mängel an der Wohnung nicht oder nur behäbig behoben. Und auch da wird die Miete von Zeit zu Zeit „angepasst“ und es ist kaum sichtbar, warum das eigentlich so sein muss. Nur: Die Mietpreise sind zuvorderst durch die renditeorientierten dicken Fische rasant gestiegen.

André Zuschlag